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Wilbur C. Rich (Hrsg.): Looking Back on President Barack Obama’s Legacy. Hope and Change

27.03.2019
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Autorenprofil
Dr. Michael Kolkmann
Basingstoke, Palgrave Macmillan 2019

Auch wenn es interessierten politischen Beobachter*innen nicht so vorkommt: Es ist gerade einmal zwei Jahre her, dass Barack Obama das Weiße Haus verlassen hat. Zwar gibt es inzwischen gleich mehrere, durchaus gehaltvolle Bände der englisch- wie der deutschsprachigen Politikwissenschaft, die die verschiedenen Politikfelder, die Wahlen und Wahlkämpfe der Jahre 2008 und 2012 sowie Obamas persönlichen Regierungsstil thematisieren, aber die wirklichen Konturen der Jahre 2009 bis 2017 dürften vermutlich erst mit einigem Abstand hervortreten.

Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Wilbur Rich (Wellesley College) hat einen Sammelband herausgegeben, der genau das versucht: den Umrissen der Obama-Präsidentschaft nachzuspüren und zu fragen, was von dieser Administration bleibt beziehungsweise bleiben könnte, wenn man eines zukünftigen Tages mit (noch) größerem Abstand auf sie zurückblicken wird.

In seiner Einleitung thematisiert Rich den „transformational impulse“ (2) Obamas. Mit Rückgriff auf Konzeptionen des Politikwissenschaftlers James MacGregor Burns unterscheidet Rich zwischen „transformational and transactional leadership“ (4). Damit steht die Frage im Raum, in welchem Maße ein Präsident auf „change“ (2) setzt. Als „transactional” werden Präsidenten beschrieben, die Barack_Obama. Foto: Mike Brice / PixabayBarack Obama. Foto: Mike Brice / Pixabayvor allem das Tagesgeschäft des Regierens absolvieren und aufgrund einer ausgeprägten Kompromissbereitschaft vor allem die Regierungsmaschinerie am Laufen halten wollen. In diesem Sinne setzen Präsidenten vor allem auf Kontinuität zur vorhergehenden Administration. Als Beispiele nennt Rich die Amtsinhaber Dwight Eisenhower, George H. W. Bush sowie George W. Bush. „Transformational leaders” zielen dagegen darauf ab, Politik und Wirtschaft des Landes radikal zu ändern und innovative sowie weitreichende Reformen anzugehen, häufig in Krisenzeiten (vgl. 4). In welchem Maße Präsident Obama, der als Kandidat unter dem Motto „hope and change” angetreten war, diesen versprochenen Wandel wirklich umsetzen konnte, ist Gegenstand der folgenden Kapitel des Bandes.

Lyn Ragsdale richtet etwa in ihrem Beitrag den Blick auf die „Obama Legacy in American Electoral Participation“ (25). Ausgehend von der Präsidentschaftswahl 2016, bei der sich Donald Trump durchsetzen konnte, blickt sie auf die Wahlen von 2008, 2010, 2012 und 2014 zurück und identifiziert, dass die Obama-Koalition aus unterschiedlichen Wählergruppen bestand, die 2016 in nicht ausreichendem Maße Hillary Clinton unterstützt und damit den Wahlsieg Trumps ermöglicht haben.

Im Hauptteil des Buches stehen konkrete Politikfelder im Mittelpunkt. Beispielsweise beleuchtet Kristoffer Smemo die Wirtschaftspolitik Obamas, insbesondere in den ersten beiden Jahren seiner Präsidentschaft („Managing a Regime in Crisis“, 47). Jill Quadagno und Daniel Lanford untersuchen die Ursprünge sowie die Umsetzung der Gesundheitsreform Obamas, beschreiben aber darüber hinaus auch die fortwährenden Versuche der gesundheitspolitischen Kurskorrektur durch die Republikaner im Kongress sowie durch die aktuelle Trump-Administration („The Obama Health Care Legacy“, 69).

Der Außenpolitik wendet sich Meena Bose zu. Für ein so breit aufgestelltes Politikfeld erscheint ein einzelnes Kapitel inadäquat zu sein, werden hier doch außenpolitische Herausforderungen wie Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien berücksichtigt, darüber hinaus das Pariser Klimaabkommen, das transpazifische Handelsabkommen sowie die Neuaufstellung der US-kubanischen Beziehungen. Hier wäre eine Aufsplittung sicher hilfreich gewesen. Zumindest die Klimapolitik wird von George A. Gonzalez später in einem eigenen Beitrag aufgegriffen, schließlich zählte dieses Thema zu den zentralen Punkten Obamas im Wahlkampf 2008. In den Mühen des Alltags geriet dieser Politikbereich jedoch nach Obamas Amtsantritt schnell ins Hintertreffen. Erst gegen Ende seiner Amtszeit wurde die Thematik wieder auf die Agenda gebracht („Going with the Flow and the Politics of Failure“, 191).

Ein häufig unterschätztes Politikfeld wird mit dem Thema Regulierung des US-amerikanischen Arbeitsmarktes während der Obama-Jahre aufgegriffen („The World We Have Lost“, 115). Hier geht es zum einen um inhaltliche Aspekte wie konkrete Regulierungsfragen, zum anderen aber auch um das ganz grundsätzliche Verhältnis der Obama-Administration zu den Gewerkschaften, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ein Großteil ihres politischen Einflusses eingebüßt zu haben scheinen. Unabhängig davon zählten die Gewerkschaften zu den größten Unterstützern Obamas im Wahlkampf. Daher ist die Frage spannend, ob und was an politischem Einfluss die Gewerkschaften in die konkrete, alltägliche Regierungspraxis hinüberretten konnten.

Anhand der Politik des aktuellen Präsidenten lässt sich ermessen, welch wichtige Rolle dessen Möglichkeit darstellt, Richter (auf Lebenszeit) an den Supreme Court berufen zu können. Damit verfügt der Präsident über die Möglichkeit, die Zusammensetzung dieses Gerichtshofes weit über die eigene Amtszeit hinaus prägen zu können. Obama hat in den acht Jahren seiner Präsidentschaft mit Sonia Sotomayor und Elena Kagan insgesamt zwei neue Richterinnen berufen können, auch Präsident Trump erhielt in den ersten beiden Jahren seiner Präsidentschaft bereits gleich zweimal die Möglichkeit, eine frei gewordene Stelle am Höchsten Gericht neu besetzen zu können, nämlich mit Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh. Isaac Unah und Ryan Williams beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit diesem Thema ganz grundsätzlich („The Legacy of President Obama in the U. S. Supreme Court“, 149), indem sie über die erwähnten Neuberufungen hinaus den Blick auf zentrale Urteile des Supreme Courts richten, etwa zu den Themen Wahlkampfkostenfinanzierungs- und Gesundheitsreform, Wahlrechtsfragen oder gleichgeschlechtliche Ehen.

Abgeschlossen wird das Buch durch zwei resümierende Kapitel, die zu ähnlichen Ergebnissen gelangen. Stanley Renshon formuliert auf der Basis der vorhergehenden Kapitel ein ausführliches, wenn auch weitgehend skeptisches Fazit des Wirkens Barack Obamas im Weißen Haus („Unfulfilled Hopes“, 211). Er hebt dabei auf drei Dimensionen von Obamas Erbschaft ab: die Vorstellungen und Ideen, mit denen der Kandidat ins Amt gekommen ist, die Errungenschaften seiner Administration innerhalb der acht Jahre im Weißen Haus sowie die politischen Fehler in diesem Zeitraum. Renshon vermutet, dass Obama unbedingt als „transformational leader“ wahrgenommen werden wollte beziehungsweise will, viele Wählerinnen und Wähler aber lediglich erwarteten, dass er gemäß seinen Ankündigungen im Wahlkampf moderat regieren und sich vor allem auf diejenigen wirtschaftlichen Aspekte konzentrieren würde, die die Amerikanerinnen und Amerikaner mehrheitlich umtrieben. Die Frage, wie diese ambivalente Einschätzung zu bewerten ist, zählt zu den vielen diskussionswürdigen Aspekten, die den Mehrwert dieses Bandes ausmachen.

Anschließend versucht Wilbur Rich die Frage zu beantworten, wer der 44. Präsident der USA eigentlich wirklich war („Who Was President Barack Obama?“, 249) und was von ihm an konkreten politischen Veränderungen bleiben wird. Bereits in seiner Einleitung hatte Rich betont, dass es keine Metatheorie des präsidentiellen Erbes gebe. Anhand der Unterscheidung zwischen „preferential and referential leadership“ (13) leuchtet Rich unterschiedliche systematische Dimensionen der Wahrnehmung der Obama-Präsidentschaft aus. Mit „preferential“ sind damit die politischen Prioritäten gemeint, mit denen ein Amtsinhaber seine Arbeit aufnimmt und die er während seiner Amtszeit unbedingt verwirklichen möchte: „Presidents want wo make policy achievements that historians will underscore as a colophon of the presidency“ (14). Diese Prioritäten geraten jedoch relativ schnell in Widerspruch zu neuen, unvorhergesehenen Themen und Herausforderungen auf der politischen Agenda, denen man sich ebenfalls widmen muss. Unter „referential“ versteht man dagegen konkrete Einschätzungen und Erinnerungen in der Wählerschaft: Was bleibt von einer Präsidentschaft im öffentlichen, kollektiven Gedächtnis? Natürlich schließen sich beide Dimensionen nicht aus, sondern überlappen sich in der Regel.

Entstanden ist am Ende ein Buch, das sich in Auseinandersetzung mit zentralen Analyseansätzen der Politikwissenschaft (James McGregor Burns, Richard Neustadt, Fred Greenstein, Stephen Skowronek und andere) mit den unterschiedlichen Politikfeldern der Obama-Administration beschäftigt. Dabei werden klassische Themen wie die Außen- oder Wirtschaftspolitik ebenso berücksichtigt wie Bereiche, die – gerade aus europäischer Perspektive – zu selten im Fokus des politikwissenschaftlichen Interesses stehen wie etwa die Rolle des Obersten Gerichtshofes oder die Arbeitsmarktpolitik. Die einzelnen Beiträge tragen vielfältige empirische Befunde zur Obama-Präsidentschaft zusammen und lassen vor dem Auge des Betrachters die acht Jahre dessen Wirkens lebendig werden. Für die Leser*innen bleibt am Ende die Frage, ob die Bewertungen der einzelnen Autorinnen und Autoren auch in einigen Jahren noch stichhaltig sind. Aber das kann erst die Zukunft zeigen, gerne anhand eines (neuen) Sammelbandes der hier versammelten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

 

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Rezension

Julian Zelizer (Ed.)

The Presidency of Barack Obama. A First Historical Assessment

Princeton, Princeton University Press 2018

In diesem Tagungsband versammeln Wissenschaftler*innen von renommierten Institutionen wie der Princeton University, der Boston University und der University of Cambridge ihre Einschätzungen der Erfolge und Misserfolge der Präsidentschaft Barack Obamas. Sie analysieren das Zustandekommen von Entscheidungen im politischen System der USA sowie ihre Dauerhaftigkeit im Übergang der Präsidentschaft nach der Wahl Donald Trumps. Von allen Autor*innen wird die Einschätzung geteilt, dass die Fundamentalopposition der Republikanischen Partei eine weiterreichende Reformpolitik verhindert hat.

weiterlesen  


Chronik

Katja Ridderbusch
Als Amerika einen schwarzen Präsidenten bekam
Deutschlandfunk, 25. März 2019


Lektüre

Joe Klein
Yes He Did. Judging Obama's Legacy
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Ben Rhodes
Im Weißen Haus: Die Jahre mit Barack Obama
München , C. H. Beck 2019

 



zum Thema
Bilanzen der Obama-Administration

 

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