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Peacekeeping Labor Mali: Deutschland und der MINUSMA Einsatz

18.12.2019
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Christian Patz

Mali j sirius 2019 4003 fig 001Malische Soldaten und Tuareg Miliz. Foto: Robin Schroeder

 

Keine Friedensmission der Vereinten Nationen (VN) hat in der jüngeren Vergangenheit eine derart große Aufmerksamkeit erfahren wie die United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (MINUSMA). Der Einsatz gilt als gefährlichstes Engagement in der jüngeren Geschichte von VN-Peacekeeping.1 Zu seinem ambitionierten Mandat gehören die Hilfe bei der Umsetzung des Friedensprozesses und der Stabilisierung Malis, die Unterstützung der malischen Regierung bei der Wiederherstellung ihrer staatlichen Autorität und der Schutz der Zivilbevölkerung. Damit ist MINUSMA der prominenteste in einer Reihe von derzeit laufenden Einsätzen der Vereinten Nationen, die angesichts bedeutender Risiken und breiter Mandate Gegenstand eine Debatte über die Prinzipien und die Zukunft von VN-geführten Friedenseinsätzen ausgelöst haben.

Der Einsatz in Mali ist darüber hinaus zum Testfall für das verstärkte Engagement europäischer Truppensteller geworden. Mit MINUSMA sind europäische Staaten in einem seit den 1990er Jahren nicht mehr gesehenen Maße in einem VN-geführten Einsatz engagiert und haben ihre Hochwertfähigkeiten und Erfahrungen aus NATO-geführten Einsätzen eingebracht. Das Engagement hat gleichzeitig die Frage aufgeworfen, inwiefern die Europäer auch mit dem Anspruch angetreten sind, Friedenseinsätze grundlegend zu verändern und an die Realitäten moderner Konflikte anzupassen.

Deutschlands Engagement in Mali ist dabei als „Rückkehr“ in das VN-Peacekeeping bezeichnet worden und stellt tatsächlich qualitativ wie quantitativ eine neue Stufe des Engagements im Rahmen von VN-geführten Einsätzen dar.2 Es geht deutlich über einen „symbolischen Beitrag“3 hinaus und baut auf den Lehren und Erfahrungen aus Afghanistan auf. Andererseits macht der MINUSMA-Einsatz schon jetzt klar, dass Deutschland auch in Mali weder den Besonderheiten seiner strategischen Kultur noch der Frage nach dem strategischen Ziel und damit dem „Wofür“ seiner Auslandseinsätze entkommt.

Den Hintergrund für dieses Engagement bildet ein bereits Jahrzehnte währender Konflikt in Mali, dessen Eskalation im Jahr 2012 eine anhaltende Instabilität im Norden und eine sich verschlechternde Sicherheitssituation im Zentrum des Landes zu Folge hatten. Zu einem stockenden Friedensprozess kommen dabei die Probleme einer zunehmenden Fragmentierung der beteiligten Gruppen sowie die Bedrohung durch Angriffe dschihadistischer Kräfte hinzu. Dabei richten sich die Angriffe dieser radikal-islamischen Gruppierungen gegen MINUSMA und die Präsenz anderer multinationaler Missionen, vor allem aber die malischen Sicherheitskräfte.

Zur Erklärung der Probleme und Herausforderungen des deutschen Engagements werden in diesem Beitrag drei Entwicklungen nachgezeichnet: (1) die Gründe für Deutschlands Engagement in VN-Einsätzen im Allgemeinen und für die Beteiligung an MINUSMA im Besonderen; (2) der Wandel von VN-geführten Friedenseinsätzen, für den MINUSMA ein wichtiges Beispiel ist; und (3) der Konflikt in Mali und seine politischen Dynamiken. Im Anschluss identifiziert der Beitrag vier Probleme des MINUSMA-Einsatzes, die den Charakter des Einsatzes als Peacekeeping-Labor unterstreichen und die die Frage nach der Erfolgswahrscheinlichkeit von MINSUMA und damit des deutschen Engagements aufwerfen.

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Anmerkungen

1 Kevin Sieff: The World’s Most dangerous U.N. Mission, The Washington Post, 17.2.2017. Laut Angaben der Vereinten Nationen sind bis zum 31. Mai 2019 200 MINUSMA-Angehörige, davon 182 Soldaten, im Rahmen des Einsatzes getötet worden, siehe: United Nations Deparment of Peacekeeping Operations (DPKO), Fatalities by Mission and Appointment Type, https://peacekeeping.un.org/sites/default/files/statsbymissionappointmenttype_3_23.pdf, 28.06.2019.
2 Koops 2016.
3 Coleman definiert symbolischer Beiträge („token contributions“) als „vierzig oder weniger Soldaten“, die von einem Staat insgesamt zu VN-Einsätzen bereitgestellt wird, vgl. Coleman 2013, 49.

__________________________________

Dieser Beitrag ist erschienen in:
SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen, Band 3, Heft 4: 339-361, DOI: https://doi.org/10.1515/sirius-2019-4003 (online erschienen am 20. November 2019)

 

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