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Robert Habeck: Von hier an anders. Eine politische Skizze

24.03.2021
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Dr. Bruno Heidlberger
Köln, Kiepenheuer&Witsch 2021

Robert Habeck konzipiert eine Politik, abgestimmt auf den Widerstreit zwischen erstarktem illiberal-nationalistischen Autoritarismus und freiheitlicher Demokratie. Das kapitalistische Paradoxon, wonach sozialer Aufstieg und Abstieg einander bedingen, drohe zu dominieren. In Demokratien bedeute dies, „dass neben den klassischen politischen Instrumenten wie einem guten Sozialstaat, Umverteilung und Ordnungsrecht auch ein neues Zusammenspiel der Gesellschaft organisiert werden“ müsse, „eines, das auf der Basis von gegenseitiger Anerkennung bei maximaler Verschiedenheit der Positionen“ funktioniere. Politik sei gefordert, Wandel und die Angst davor zusammenzubringen.

Eine Rezension von Bruno Heidlberger

Robert Habeck – deutscher Politiker, promovierter Philosoph, Schriftsteller und Bewerber auf das Amt des Bundeskanzlers – entwirft in seinem Buch eine Politik, die den Problemen der Gegenwart angemessen ist. Der große Konflikt unserer Zeit sei „der zwischen dem erstarkten illiberalen, totalitären, nationalistischen Autoritarismus einerseits und der freiheitlichen Demokratie andererseits“ (23) – ähnlich die Sichtweise des Soziologen Andreas Reckwitz. Die zentralen Fragen des Buches lauten: Was hält die Gesellschaft in Zeiten großer Veränderungen zusammen? Welche Rolle spielen Anerkennung und Respekt dabei? Wie geht Veränderung, ohne zu polarisieren? Welche Institutionen brauchen wir dafür? Wie können wir Zukunft gestalten und Krisen vorausschauend verhindern?

 

In der Wandelhalle

Ausgangspunkt der von Habeck aufgeworfenen Probleme und diskutierten Lösungsvorschläge sei eine beunruhigende und verstörende Begegnung. Am Morgen des 12. März 2020 stieg Habeck in Hamburg um. Er schildert, wie er auf der Gleisüberführung bei der Wandelhalle stand und am Geländer lehnte (11), als ein älterer Mann an ihm vorbeiging und ihn anzischte: „‚Erschießen sollte man dich!‘“ Habeck reagierte besonnen und reflektiert – ohne Affekt, jedoch ungeschützt, ohne Bodyguard. Er habe notiert: „Aber dieser Satz riss etwas in mir auf: Wo kommt dieser Hass her?“ (14) „Seit der Wahl von Donald Trump, dem Brexit und den weltweiten politischen Erfolgen derjenigen, die die liberale Demokratie angreifen“, beschäftige Habeck „die Frage, was eigentlich der Grund für den politischen und kulturellen Rückschlag sei – und wie darauf richtig zu antworten ist: Wie und warum entsteht diese gesellschaftliche Aggressivität?“ Vor allem die Frage: „Wie unterscheiden sich die politischen Konflikte heute von denen vorheriger Jahrzehnte?“ „Das fundamentale politische Problem“, das in „all den Aggressionen sichtbar“ werde, scheint ihm „in einer politischen Orientierungslosigkeit zu liegen, die in der Metapher von ‚auf Sicht fahren‘ ihren Ausdruck findet“ (17). „Diese Welt des Entweder-oder“, sichtbar geworden durch die sich zugetragene Anfeindung im öffentlichen Raum sei hingegen „die Welt des Populismus“ – das gelte für die Proteste gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen, wie für die „Bekämpfung der Klimakrise“ in Form eines „Klimatotalitarismus“ (19).

Habeck ist kein Ideologe, vielmehr ein Vertreter der deliberativen Demokratie, wie Jürgen Habermas. Hier gebe es keine „vorpolitische Wahrheit“. „In einer Demokratie“ müsse „die politische Wahrheit immer neu errungen und begründet werden“. Der Autor weiß dabei aber sehr wohl um die Dialektik der Moderne. Einer seiner Schlüsselsätze lautet: „In die Moderne und unsere kapitalistisch-individualistische Welt ist ein Paradox eingewoben, das auch vor der Politik nicht haltmacht und das man mit der Metapher eines Paternosters beschreiben kann: Gesellschaftlicher Aufstieg und Abstieg bedingen einander.“ (20) Daraus folge, „dass neben den klassischen politischen Instrumenten wie einem guten Sozialstaat, Umverteilung und Ordnungsrecht auch ein neues Zusammenspiel der Gesellschaft organisiert werden“ müsse, „eines, das auf der Basis von gegenseitiger Anerkennung bei maximaler Verschiedenheit der Positionen“ funktioniere (21). Das zentral zu lösende politische Problem umschreibt Habeck mit der Frage: „Wie bringt man nötige Veränderung und die Angst vor ihr zusammen? Von Antworten auf diese Fragen handelt dieses Buch.“ (23)

 

1. Was, wenn es kein Nagel ist

Habeck will für seine Überzeugungen streiten und dabei zusammenführen – ohne zu polarisieren. Gleichwohl weiß er, dass seine Politik beim politischen Gegner auch Widerspruch provoziert. Auch Obama hätte sich am Ende seiner Amtszeit mit diesem Paradox konfrontiert, als er fragte: „‚What if we were wrong?‘“ Für Habeck berührt diese Frage „den Grund und gleichermaßen den Grundzweifel“, warum er Politiker ist. Sie lautet: „Wie findet eine Gesellschaft unter den Bedingungen von Freiheit und Demokratie zu einer Gemeinsamkeit, die es ihr ermöglicht, die notwendigen großen Schritte zu gehen? Und welches sind die Kräfte und Dynamiken, die Lösungen und gemeinsamen Fortschritt immer wieder blockieren?“ (31)

Er beginnt mit einer Analyse der Corona-Politik der Bundesregierung. Die Corona-Krise sei „nicht auf eine intakte Welt“ getroffen, sondern auf eine, „die schon im Dauerkrisenmodus“ gewesen sei (51). Mit Blick auf die Bekämpfung der Klimakrise macht der Autor deutlich: Der Charakter einer Krise bestimmt den Charakter der staatlichen Politik und den Grad ihrer gesellschaftlichen Resonanz. Dass die Corona-Krise die Regierung, insbesondere die Bundeskanzlerin und die Union, während der ersten Welle gestärkt habe, liege „auch an ihrem besonderen Charakter“ (35). Trotz gewisser Gemeinsamkeiten mit der Klima-Krise, gebe es bei Letzterer aber „eben auch einen gravierenden Unterschied“. Die Klimakrise zu bekämpfen setze voraus, „dass wir Menschen uns selbst“ kritisierten, „unsere Verhaltensweisen“ veränderten. In dem Sinn seien „wir uns selbst zum Problem geworden“ (36).

Im Mittelpunkt des Buches steht der Begriff des „Paradoxons“. Da Gesellschaften sich immer veränderten, meint Habeck, beschreibe der Begriff des „politischen Paradoxons“, eine „Struktur, in der eine politische Handlung zum Gegenteil von dem führe, was sie eigentlich beabsichtigte“ (53). Wir müssten „uns eingestehen, dass die gute Intention nicht intendierte oder nicht gesehene negative Folgen haben“ könne. Die Naivität, dass der einmal eingeschlagene Weg am Ende zwangsläufig zu einem guten Ziel führe, sei uns verloren gegangen. Wir müssten „immer wieder neu justieren, korrigieren, koordinieren. Selbstkritisch müssten „wir immer wieder überprüfen, ob es neue Erkenntnisse gibt, den Kompass neu eichen“ (54). Habeck will von Obama lernen, wenn er fragt, wie man es schafft, „für die Zukunft der liberalen Demokratie“ zu kämpfen ohne „gerade durch seine Siege den Kampf“ (56) zu verlieren?

 

2. Im Paternoster

Habeck untersucht in diesem Kapitel den Paternoster-Effekt zunächst in der Bildung, dann in den Bereichen Stadt-Land, Regionen, Landwirtschaft und Globalisierung. Ausgangspunkt des Nachdenkens über Bildung ist das Anliegen, den kulturellen und den sozialen Spaltungen in der Gesellschaft entgegenzuwirken – aus „Gerechtigkeitsgründen, aber auch, damit Deutschland international Schritt halten kann“ (86). Die kulturellen Fragen, wie auch Bildung, lieferten nach Habeck „das Gerüst für den Bau der Gesellschaft“. Ob es fair zugehe, „ob man gesehen und gehört“ werde, „Selbstachtung und Fremdachtung, humanistische Rationalität oder populistische Aggressivität“ machten sich an ihnen fest (68). Der Autor folgt nicht Oliver Nachtwey, sondern dem Soziologen Reckwitz, der diesen „Effekt als einen, der wie ein Paternoster funktioniert“, beschrieben hat (74). „Je stärker die Aufwärtsdynamik für einige“ sei, so Habeck, „desto massiver“ folge „aus der gleichzeitigen Abwertung von niedrigeren Abschlüssen eine handfeste materielle, aber auch kulturelle Teilung der Gesellschaft.“ (72) Sozialer Aufstieg und sozialer Abstieg – so die These von Reckwitz – fänden nicht nur gleichzeitig statt, sondern bedingten sich geradezu (75). Wolle man politisch „gegen den gesellschaftlichen Paternostereffekt anarbeiten“, müsse „man im Bildungsbereich“ (79) früher beginnen und Bildungs- und Sozialpolitik stärker verbinden (85). Habeck fordert den „Ausbau echter Ganztagsschulen“ (83) und eine Steuer für Bildung (86).

In kritischer Distanz zu dem Harvard-Ökonomen Dani Rodrik verstelle für Habeck die rein ökonomische Sicht auf den Populismus den Blick dafür, „dass Migration, Wanderungsbewegungen Teil der Menschheits- und Fortschrittsgeschichte sind und das Recht auf freie Bewegung eine großartige Errungenschaft“ (100) sei. Gleichwohl sieht Habeck die „Kehrseite dieser Freiheit“ (101). Längst ist es weitgehend Konsens, dass die Globalisierung in einigen Bereichen zu weit gegangen ist. „Mag das weltweite Wohlstandsniveau auch steigen, so steigt der Wohlstand nicht für alle gleich. Ganz im Gegenteil.“ „Das Versprechen der Globalisierung, dass freier Handel Wohlstand“ schaffe, gelte eben „nicht für alle Menschen und Regionen“ (101) und dürfe nicht hingenommen werden. Eine rein ökonomische Betrachtung als Erklärung für das Erstarken des Rechtspopulismus ist für den Autor indes nicht ausreichend. Es sei „wichtig zu sehen“, betont Habeck, „dass kulturelle Werte sich nicht losgelöst vom ökonomischen Raum entfalten“, dass beispielsweise die „Probleme beim Braunkohle-Ausstieg nicht nur etwas mit Arbeitsplätzen und Geld zu tun haben, sondern auch mit der Suche nach Identität, nach Anerkennung und Respekt für die Lebensleistung.“ (103)

 

3. Schöpfen und Zerstören


Habeck bezieht sich in seiner Analyse der Widersprüche des Kapitalismus nicht auf Karl Marx, sondern auf den österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter, der diese mit der Formel von der „schöpferischen Zerstörung“ erklärt. Jedem Gewinn stehe immer ein Verlust gegenüber. Es sei „wohl letztlich das Prinzip des Kapitalismus, dass Neues entsteht und damit Altes zerstört“ werde, mutmaßt der Autor. Die Antwort könne „jedenfalls nicht in einer Verneinung von Globalisierung und technologischem Fortschritt liegen“. Der globalisierte Handel habe „auch enorm positive Folgen“ (149.) Habeck lehnt, wie der grüne Vordenker Ralf Fücks, Wachstum nicht generell ab. Durch Wachstum wachse „der weltweite Wohlstand“ und „damit auch der Zugang zu Bildung und Gesundheit“ (150).

Gleichwohl dürfe man nicht übersehen: Von Anfang an sei „dem Kapitalismus ein Wachstumsparadox eingeschrieben“ (154). Immerwährendes Wachstum führe „zur rücksichtslosen Ausbeutung der Erde“, denn es brauche „immer mehr Rohstoffe und Ressourcen, um den Energiebedarf zu befriedigen“ (155). Habeck fordert, wie inzwischen auch die Financial Times, die OECD, der IWF und führende Ökonomen, wie die Londoner Ökonomin Mariana Mazzucato1, den staatlichen Spielraum für eine sozial-ökologische und vorausschauende Politik zu erweitern. Spätestens die Corona-Krise habe „gezeigt, dass unsere Wirtschaftsweise nicht nur ökologisch eine Katastrophe“ befeuere, „sondern dass sie auch nicht hinreichend auf kritische Situationen vorbereitet“ (171) sei. Märkte, so Habeck, „brauchen Regeln, sie brauchen soziale Normen und politische Regulierungen“ (169). Wie in den Bereichen Bildung, Landwirtschaft, Regionen und so weiter. gebe es auch in Europa Gewinner und Verlierer. Habeck fordert deshalb mehr Sicherheit durch „mehr europäische Kooperation in allen sozialen Bereichen“. So müsse neben einer „eigenen Fiskalpolitik und Steuerhoheit“, einer europäischen Arbeitslosenrückversicherung und Mindestlohnvereinbarungen (186), die „Koordinierung des Gesundheitsbereichs“ auf europäischer Ebene „dringend angegangen werden“ (186). Und solange in wesentlichen Politikfeldern jeder Staat ein Vetorecht hat, die Union also nur ein Staatenbund und kein Bundesstaat ist, drohe „das auf Dauer die Gemeinschaft zu sprengen (188).

Die ökonomischen und kulturellen Paradoxien und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Spannungen, machten laut Habeck „vor dem tertiären Sektor, also dem Bereich der Dienstleistungen, nicht halt“. Auch dieser Sektor werde, „insbesondere bei den sogenannten Care-Tätigkeiten, die früher unbezahlt blieben, von der systemisch angelegten Auf- und Abwertungsdynamik erfasst“ (190). Der Kapitalismus bestimme in seiner digitalen Dimension auch die persönlichen Ressourcen: Freundschaft, Sprache und Liebe. Der Paternostereffekt schaffe in sozialen Beziehungen „einen Mechanismus der Enttäuschungsproduktion“ (195).

„Die gleiche Gewinn-Verlust-Logik, die die kapitalistische Ökonomie“ beherrsche, greife „nun in unsere Gefühle, Begehren und Wünsche ein“, wie die Soziologien Eva Illouz in Warum Liebe wehtut gezeigt habe. Gefühle und Beziehungen würden „zunehmend vom Marktdenken geprägt“ (193). Der „Statusverlust in der analogen Welt“, drohe „sich in der digitalen Welt zu wiederholen“. Nur wenige würden „durch diese Welt wirklich Selbstachtung und Selbstwirksamkeit gewinnen, selbst den Erfolgreichen“ gaukelten „die Klickzahlen, die gehobenen Daumen und Herzchen gesellschaftliche Anerkennung meist nur vor: […] Die meisten werden verlieren“ (208). Der Autor plädiert dafür, „die digitalen Prozesse so zu begleiten und Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Veränderung gesteuert verläuft.“ Das beginne mit der „Übersetzung der Rechtsnormen aus der analogen Welt in die digitale“ (208) und ende „mit einer ethischen Reflexion über das Wesen der digitalen Technik“ (209).

 

4. Gefühle, die politische Wahrheit formen

In Kapitel vier legt der Autor das theoretische Fundament, darin erklärt er den kulturellen Paradigmenwechsel der vergangenen 50 Jahre als Folge des Strukturwandels der Gesellschaft: Die Ablösung der alten industriellen Moderne durch die Spätmoderne, die von neuen Polarisierungen und Paradoxien sowie einer Änderung der politischen Konfliktlinien geprägt ist. Dieser Wandel habe sich, wie Reckwitz in seinem Buch Das Ende der Illusionen ausführt, bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren angebahnt – sinnbildliche Ereignisse waren, so Reckwitz, „die Studentenrevolte von 1968, die Ölkrise, der Zusammenbruch des zentral gesteuerten globalen Finanzsystems von Bretton Woods 1973 sowie die Entwicklung des Apple I“ 19762. Die Ökonomisierung des sozialen Konflikts sei durch dessen Kulturalisierung abgelöst worden. Jetzt stünden sich nicht mehr antagonistische Klassen, Lohnarbeit und Kapital, sondern konkurrierende Klassenfraktionen – alte und neue Mittelklasse – gegenüber. Die Erfolge der 68er sind für Habeck unstrittig. „Ohne Frage [sei] die Geschichte meiner Partei eng mit der Geschichte der ökonomischen und kulturellen Liberalisierung verbunden“, habe „sich das Leben in Deutschland und Westeuropa verändert“, führt er aus. Der „Konformismus der Nachkriegszeit, in beiden Deutschlands“, habe „Gegentrends der Individualisierung mit sich“ gebracht; […] „gegen gesellschaftliche Normen, die Regulierung des Lebens, gegen ein patriarchales Frauenbild und gegen materialistisches Denken wurde der Protest laut und der Protest irgendwann zur Partei.“ (244) In den vergangenen Jahrzehnten habe „sich das dominierende kulturelle Paradigma von einem konservativen, die materialistische Wertebasis der fossilen Ökonomie verteidigenden, eher national gesinnten Milieu hin zu einem eher postmaterialistischen, proeuropäischen, liberal eingestellten, Mobilität und Diversität von Lebensformen großschreibenden Milieu verschoben.“ (245) Aber es gebe auch eine Gegenbewegung: „Je stärker die Liberalisierung der Gesellschaft vorangetrieben wird, umso größer die gesellschaftlichen Spannungen,“3 erläutert Habeck in einem Gespräch mit Ijoma Mangold in der Wochenzeitung Die Zeit.

Bisher befasste sich der Autor vor allem mit den sozialen und ökonomischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte „in Bereichen wie – Bildung, Landwirtschaft, Digitalisierung, KI, Globalisierung, Europa, Sozialstaat und Gesundheit, – und versuchte „den widersprüchlichen Charakter des Fortschritts herauszuarbeiten“. Den Paternoster nutzte er „als Metapher für diesen Effekt“. Die Anfangsfrage, so Habeck, sei jedoch „schon über diesen Blickwinkel“ hinausgegangen. Die „sozialen und ökonomischen Entwicklungen“ seien „nur ein Teil der Wahrheit“. Durch die „Ökonomisierung des Sozialen“ werde „deutlich, dass die kulturelle Ebene – Würde und Anerkennung, die bei allen Transformationsprozessen schon immer eine große Rolle gespielt“ hätten – „selbst zu einer Hauptursache der gesellschaftlichen Dynamik geworden“ seien. In den Folgekapiteln will Habeck diesen „Wirkmechanismus“ beleuchten“, um politisch die „richtigen Schlüsse“ (248) zu ziehen.

Die „Polarisierung zwischen Gewinnern und Verlierern der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Veränderungen“ präge „schon längst unser Leben“. Es gebe „Elitegymnasien und Problemschulen, begehrte Stadtteile und solche, die als abgehängt gelten“. Es gebe „jede Menge soziale Codes, nach denen sich Menschen in Gruppen und Untergruppen“ einteilten, – alles werde „zum symbolischen Code, der repräsentiert, zu wem man“ (290) gehöre. Für die urbane Gesellschaft habe „der US-amerikanische Ökonom Richard Florida bereits 2005 in Cities and the Creative Class beschrieben, wie sogenannte postmaterielle Werte – Kreativität, Attraktivität, Offenheit, Liberalität – schnell zu materiellen Standortvorteilen“ geworden seien und „einer Gentrifizierung, also der Aufwertung eines Stadtteils beispielsweise durch Sanierung oder Umbau, Vorschub“ geleistet und damit „die ursprünglich dort ansässige Bevölkerung durch Wohlhabendere“ (301) verdrängt hätten. In der Spätmoderne laufe die „Achse des kulturellen Paradigmas […] quer durch die Parteien [und ihre Wähler], die nicht dafür gegründet“ worden seien, „diese Probleme zu lösen“ (249). Dies erklärt auch die Krise der in der industriellen Moderne gegründeten Volksparteien. Mit dem „rein ökonomischen Blick“ seien „diese Verschiebungen nicht zu erklären“. Die „Klimakrise zum Beispiel bzw. die Frage, mit welchen Mitteln man sie bekämpfen soll“, werde „nicht nur als ökonomische Debatte geführt, sondern auch als kulturelle“. Das gelte „erst recht für die Flüchtlingspolitik“, so Habeck (251). Der „Sinn von Klima- und Umweltschutz, des Erhalts der Artenvielfalt, des Kampfs um mehr Tierwohl“ gehe „über den ökonomischen Blickwinkel weit hinaus“ (252). Fragen „der geschlechtlichen, sozialen, kulturellen, religiösen, ethnischen Identität“ seien „zentral geworden“. Es gehe „um den Respekt und die Anerkennung für die jeweils eigene Lebens- und Glücksvorstellung, für den eigenen Lebensstil“ (255).

Dass „der Fortschritt der einen die anderen“ zurücklasse, „dass Aufwertung Abwertung mit sich“ bringe, dass sich der allseits gepriesene Neoliberalismus „bis in die Köpfe und Herzen von Menschen“ ausdehnte, dass „der Kapitalismus eine janusköpfige Angelegenheit ist“, all das sei „1989 entweder nicht gesehen oder überblendet“ (265) worden. Politik sei „in allem gut, was man berechnen“ könne. „Aber“, fragt Habeck, „wie heilt man das Gefühl, zurückgesetzt zu sein?“ (237) In „Respekt, Anerkennung“ und im „Kampf um Würde“ sieht Habeck wichtige „Treiber für politische Prozesse“. Dies sei „keine neue Erkenntnis – aber eine zu lange verschüttete“ (266). Als Philosoph weiß Habeck um die Rolle, die Georg Friedrich Hegels Phänomenologie des Geistes für den Prozess der Anerkennung spielt. Hegel mache deutlich, „dass es zwar der moderne Anspruch auf Selbstverwirklichung ist, der die entscheidende Antriebskraft der Geschichte“ sei, aber auch „Selbstbewusstsein […] als ein anerkanntes“ (267). Der Autor leitet daraus für sich und seine Partei „die politische Aufgabe ab“, „alle Wege“ zu finden, „diese Spirale gegenseitiger kultureller Diskreditierung und Verächtlichmachung aufzubrechen“. Gleichwohl meine das nicht, „dem Faschismus einen Fußbreit nachzugeben“. Daher gelte es, „die Unversöhnlichkeit und Polarisierung nicht noch weiter zu befeuern – so schwer es auch manchmal“ (273) falle.

Die Gefahr, ein „demokratisches Ethos“ zu verlieren, wie etwa „die gemeinsamen Grundwerte, die Freiheit und Würde des Einzelnen in einer offenen Gesellschaft zu schützen“ (327), sei nach Auffassung Habecks „nicht zu unterschätzen“. Denn „über die Identität bzw. die Identitätserzählung der Nation“ baue „sich auch die Demokratie auf“. Von der Selbstverwirklichung sei „der Schritt zur Selbstoptimierung nicht sehr weit“ (258). Und wer sich „mit der Feier des Ichs absolut“ setze, laufe „Gefahr, arrogant zu wirken (oder zu sein) und sich als etwas Besseres […] zu begreifen“ (259). Bei dieser Frage gehe es auch darum, „ob eine Gesellschaft die Kraft findet, große notwendige Reformen anzugehen, und dafür die notwendige politische Stabilität hat“ (237). „Miteinander reden“, so Habecks Botschaft, die „andere Seite sehen und hören, ein gegenseitiges Verständnis erlangen“, sei „unbedingt notwendig“, sonst würde seine Partei „bei dem großen Versuch, eine Industriegesellschaft zu transformieren, scheitern“. Das könne „allerdings nur gelingen, wenn die jeweiligen Gegenüber sich gegenseitig die Möglichkeit“ einräumten, „dass die andere Seite mindestens punktuell recht haben könnte“ (238).

 

5. Neue Zeiten brauchen neue Macht

Es gelte daher für die Überwindung des Lagerdenkens zu plädieren und für eine neue Kultur der Gemeinsamkeit, ohne die es keinen nachhaltigen politischen Erfolg geben werde. „Wenn man an der Macht“ sei, notiert Habeck, tue „man also gut daran, die politisch unterlegene Seite miteinzubeziehen“, denn es sei nur „die gesellschaftliche Mehrheit“, die dafür sorge, „dass Politik wirklich erfolgreich ist“ (308). „Ambitionierte Klimapolitik“ müsse „von einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit getragen werden“ (309). Immer wieder fordert Habeck zur Selbstkritik und Selbstreflexion auf. „Politische Liberalität“ und damit die grüne Partei werden „insbesondere heute daran gemessen werden müssen“, so Habeck weiter, „ob man sich auch mit seinen eigenen Vorurteilen“ auseinandersetzt (311). Die „freiheitliche Demokratie“ lebe „vom Zuhören und Hinterfragen“. Dieses Verständnis beschreibe „eine Politik, die nie fertig“ sei, „die um das relativ Beste“ ringe, weil sie wisse, „dass das Absolute das Ende von Widerstreit und Widerspruch und damit das Ende von liberaler Demokratie“ (315) ist.

Dabei wendet er sich gegen die traditionelle Definition des Begriffs der politischen Mitte. Sie sei von einem politischen Weltbild (Hufeisentheorie) abgeleitet, „das die Ränder rechts und links parallel und in gleicher Distanz zueinander und zur CDU“ (316) betrachte. Die „Krise der Mitte“ sei für Habeck „nicht allein eine ökonomische, sondern auch eine kulturell-normative“ (318). Die „Bedeutung von Ökologie, die Selbstverständlichkeit eines gleichberechtigten Lebens für alle Geschlechter“ seien „schon zu Mitte-Einstellungen geworden“. Diese änderten „das normative Grundgerüst der Gesellschaft“ (319). Insgesamt habe „sich die Gesellschaft in den letzten Jahren und Jahrzehnten geöffnet“, sei „vielfältiger und diverser geworden“. Der „Erfolg der Mitte“, dieses „pulsierende Herz der Gesellschaft“, wie Habeck die neue Mitte nennt, löse „die Mitte tendenziell auch auf“. Dies sei „gut und problematisch zugleich“ (319).


Denn diejenigen, „die sich heute gegen weitere gesellschaftliche Öffnungen, gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, gegen den ‚Gender-Wahn‘, gegen eine Ökologisierung unseres Wirtschaftens wenden“, so Habeck, seien „häufig genau die Menschen, die diese Homogenität nicht aufgeben“ wollten – „unabhängig davon, wie gut sie ökonomisch situiert“ (319) seien. An dieser Stelle macht Habeck deutlich, „warum ein Lagerdenken, das nur auf den Gewinn einer rein rechnerischen Mehrheit fixiert ist, den Raum der gesellschaftlichen Mitte dabei aber nicht in den Blick nimmt, politisch nichts erreichen“ werde: „Eine nur rechnerische Mehrheit im kulturell-normativen Raum wird ein Land spalten“ (320). Diese Stellung kann man als klare realpolitische Absage an ein grün-rot-rotes Bündnis lesen. Der Parteivorsitzende der Grünen will keine amerikanischen Verhältnisse, in der Selbstblockade und Polarisierung eine lagerübergreifende und versöhnende Politik verhindern und womöglich zu einer dauerhaften gesellschaftlichen Stagnation führen.


Er plädiert für die Schaffung eines neuen politischen Paradigmas, „eines, das die Gemeinsamkeit“ suche und herstelle, aber „ohne die Vielfältigkeit aufzugeben. […] Eines, das das Mitte-Versprechen nicht verächtlich“ mache, sondern „der Mehrheit der Menschen ein Gefühl von Sicherheit“ vermittelt. Dies könne nur dann gelingen, wenn „jenes individualistische, liberale, kosmopolitische, auf Selbstverwirklichung und das gute Leben ausgerichtete Milieu, das in den letzten Jahrzehnten die kulturelle Hegemonie errungen hat“, beginne, sich „um das gesellschaftliche Ganze“ zu kümmern: „Ich, meine Partei, wir alle müssen kämpfen um eine neue Gemeinsamkeit in der Gesellschaft, um ein neues politisches Zentrum – um die neue Mitte.“ (323 f.) Deshalb sei es an der „Zeit, ein neues Machtverständnis zu entwickeln“, eine „Macht des Miteinander“ (336), wie es Hannah Arendt formulierte. Nur so könne auch das „verlorene Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft, insbesondere der Finanzwirtschaft“, zurückerkämpft werden (331). Zeitgemäß verstanden sieht er „Macht also dialogisch, nicht monologisch, sie ist informell und subtil, nicht starr und autoritär“ (343). Damit „sich Menschen aus der Breite der Gesellschaft beteiligen“ können, hält Habeck Bürgerräte für „besonders geeignet“ (349). Die repräsentative Demokratie werde so repräsentativer (351).

Der Autor schließt sein Buch mit dem das grüne Projekt in folgenden Worten umschreibenden Appell: „Schaffen wir also eine Politik, die Freiheit und Weltoffenheit und die Schonung von Natur und Umwelt und die Solidarität miteinander als Chance begreift. Die nicht Selbstverwirklichung mit Selbstoptimierung und Selbstverwöhnung verwechselt und dabei selbst gewöhnlich wird. Jetzt ist nicht die Stunde der nationalistischen Geier. Jetzt ist der Moment, aus der wirtschaftlichen Einheit unseres Kontinents eine politische zu machen. Uns wurde die prekäre Lage unseres Wohlstands vorgeführt, jetzt ist der Moment, durch Veränderung ein neues Fundament zu schaffen, auf dem wir bauen können.“ (362) Und wenn man sich Zeit nehme und „die Ohren“ spitze, fügt er hinzu, dann flüstere „es überall, dass es von hier an anders werden muss“ (371).

 

Analyse

Habeck stellt bei all dem weder „das System in Frage“4 (Tagesspiegel), wie die Linkspartei oder die AfD, noch „klingt“ es „wie ein gewöhnliches Parteiprogramm“5 (FAZ); gleichwohl wird es im langen Mittelteil zu ökonomischer Politik konkret und ist mehr als nur eine „Skizze“. „Was Habeck vorlegt ist“, wie Robert Probst von der Süddeutschen Zeitung kurz formuliert, „nichts weniger als eine Gesellschaftsanalyse mit ziemlichem Tiefgang“6. Für Peter Unfried von der taz befindet sich das Buch „Auf Höhe der Problemlage”7. Den Herausgeber der Wochenzeitung Die Zeit, Giovanni di Lorenzo, hat das Buch „beeindruckt,” vor allem deswegen, weil sich wie ein „roter Faden durch das Buch“ das Motiv ziehe, dass Habeck „es mag, sich mit Menschen auseinanderzusetzen, sich auf Menschen einzulassen, denen andere gegenüber vielleicht Vorurteile hätten“, vielleicht auch Habeck selbst8. Der Soziologe Stephan Lessenich bezeichnet das Buch als „ein zutiefst soziologisches Werk“9.

Als Grünen-Vorsitzender, Philosoph und Bewerber um die Kanzlerschaft gelingt es ihm, aktuelle soziologische und politikwissenschaftliche Erkenntnisse zum Strukturwandel der Spätmoderne mit seinen Ambivalenzen für das Verständnis unserer Gesellschaft wie für den anstehenden sozial-ökologischen Politikwechsel fruchtbar zu machen. Habecks zentrale Begriffe sind: Auf- und Abstieg, Selbstkritik, Mitte, Mehrheit, Verantwortung, Macht und vor allem Anerkennung. Seine Referenzliteratur mit Richard Florida, David Goodhart, Andreas Reckwitz, Armin Nassehi, Ivan Krastev, Eva Illouz, Isolde Charim Aladin El-Mafaalani oder Axel Honneth mit Rekurs auf Georg Wilhelm Friedrich Hegel zeigt sich auf der Höhe der Zeit.

Habecks Buch ist auch eine Beschreibung der Erfolgsgeschichte der gesellschaftlichen Liberalisierung seit 1968, ihrer Kehrseite und ihrer Widerstände. Er macht deutlich, wie das Tempo der Modernisierung in der Spätmoderne Menschen für autoritäre Modelle anfällig mache, teils aus psychologischen, teils aus ökonomischen oder kulturellen Gründen. Der Blick zurück zeigt: Das Leiden am Projekt der Moderne schafft sich immer wieder seine Opposition. Habeck macht deutlich, dass der kluge Umgang mit Paradoxien zur Politik gehört, einer Politik, die „die Widersprüchlichkeit der Moderne und des Fortschritts zunächst einmal“ (32) bejahe. Von Obama hat er gelernt zu fragen, wo die blinden Flecken und Kehrseiten möglicher Erfolge liegen. Andreas Reckwitz‘ Gegenüberstellung von „alter“ und „neuer Mittelklasse“ aus seinem Buch Das Ende der Illusionen nutzt Habeck als zentrales Strukturelement, um die politischen Konfliktlinien auf den Punkt zu bringen und Lösungen vorzuschlagen. An die Stelle des alten Rechts-links-Dualismus sei in vielen Ländern ein neuer Dualismus getreten: der zwischen einem liberalen, weltoffenen und einem identitären, nationalen Lager. „Wahrscheinlich unnötig zu sagen“, bemerkt Habeck, „dass diejenigen, die Florida als „kreative Klasse“ bezeichnet, die Goodhart den Namen „Anywheres“ gibt, die Andreas Reckwitz in Die Gesellschaft der Singularitäten die „neue Mitte“ nennt, das Kernmilieu der Grünen ausmachen“ (301). Habeck bejaht die Verantwortung, die daraus erwächst.


In seinem Buch Das Ende der Illusionen beschreibt Reckwitz einen langfristigen strukturellen Wandel von der Industrie- zur Spätmoderne. Dieser habe sich in den 1970er- und 1980er-Jahren angebahnt. Fortschritt und Unbehagen lägen dicht beieinander. Wir müssten lernen, so Reckwitz, „die Spätmoderne als eine widersprüchliche, konflikthafte Gesellschaftsformation zu begreifen, die durch eine Gleichzeitigkeit von sozialem Aufstieg und Abstieg sowie Gleichzeitigkeit von kultureller Aufwertung und Entwertung charakterisiert ist – am Ende durch Prozesse der Polarisation,“10 die sich auch im Brexit, dem Aufstieg von Donald Trump oder dem der AfD ausdrückten. Reckwitz betont, diese Asymmetrien und Disparitäten seien „als solche ganz überwiegend weder geplant noch bewusst herbeigeführt worden, sondern das, was Soziologen nichtintendierte Handlungsfolgen nennen“ (19). Die Vorstellung eines „natürlichen Primats von Politik und Staat vor der Gesellschaft“ sei naiv, sie produziere nur Enttäuschung. Politik ist ein träges Teilsystem, insbesondere, wenn es um langfristige Entwicklungen gehe. Politik und Staat seien „ein Teil der Gesellschaft“ und ein „selbst institutioneller Komplex, der die Dynamik von Ökonomie, Kultur und Technologie, zwar beeinflussen, aber nicht komplett steuern“11 könne.


Antiliberale, wie Alexander Gauland, aber auch eher sozial-national beziehungsweise links-kommunitarisch orientierte Linke (u. a. Mark Lilla, Sahra Wagenknecht, Bernd Stegemann, Nils Heisterhagen, Sigmar Gabriel), benennen für die gesellschaftliche Polarisierung Schuldige: die linksliberale, kosmopolitische Elite, die auch den Aufstieg der Autoritären zu verantworten hätte, in Amerika Hillary Clinton und Barack Obama, in Deutschland die „linksgrüne“ Bundesregierung unter Merkel mit ihrem „Sonnenscheinliberalismus“12 (Heisterhagen) – inzwischen eine Art verschwörungstheoretisches Großnarrativ. So sehen der linke und der rechte Populismus und Teile der SPD und FDP im links-grünen kosmopolitischen Milieu und den Grünen einen Schuldigen. Der Vorwurf laute, dass man sich mehr um Flüchtlinge und Minderheiten als um die Interessen der „hart arbeitenden Bevölkerung“ (Martin Schulz, SPD) gekümmert habe. Der Konflikt hat sich nun in der SPD zugespitzt, sodass Wolfgang Thierse, der sich in einem Essay in der FAZ am 22. Februar 2021 zur Frage Wie viel Identität verträgt die Gesellschaft13 äußerte, seinen Parteiaustritt angeboten hat. „Identitätspolitik“, so Thierse, dürfe nicht „zum Grabenkampf werden, der den Gemeinsinn“ zerstöre. In einer „diversen, sozial und kulturell fragmentierten Gesellschaft der Singularitäten müsse „gesellschaftlicher Zusammenhalt ausdrücklich das Ziel von demokratischer Politik und kultureller Anstrengung sein.“14 Der Essay war indes von Angehörigen der Queer-Community sowie Saskia Esken und Kevin Kühnert als „rückwärtsgewandt“ kritisiert worden.


Nach Deutung Stephan Lessenichs teile Habeck die Sicht der Kritiker der liberalen Identitätspolitik. Für Habeck, so Lessenich, gehe die „Politik der Polarisierung“ (323), die ihm als Quell allen gesellschaftlichen Übels gelte, „nicht maßgeblich von den Kräften der Beharrung, sondern von jenen der Veränderung aus.“ In der Art eines ideellen „Gesamtselbstkritiker[s] des (ehemals) links-alternativ-progressiven Lagers“ fasse „Habeck dieses an der eigenen Nase“ und suche „es darauf einzuschwören, von seinem gesellschaftspolitischen Egotrip endlich abzulassen.“ Der Rezensent folgt Lessenich an dieser Stelle nicht. Die These, dass Trump gewählt wurde, weil die Demokraten nur noch identitätspolitisch geredet hätten, teilt Habeck nicht15. Der Autor macht, wie Andreas Reckwitz, in seinem Text deutlich, dass es sich mit Blick auf Gewinner und Verlierer der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Veränderungen, um strukturelle Prozesse, um Paradoxien, handelt, die den ökonomischen und gesellschaftlichen Prozessen inhärent sind. Habeck geht einen Schritt weiter und erklärt: „Es ist gar nicht so, dass wir was falsch gemacht haben mit der gesellschaftlichen Emanzipation seit 1968, sondern gerade weil wir so viel richtig gemacht haben, entstehen die Probleme.“16

Habeck will Diskriminierung überwinden, die gleiche Freiheit aller erreichen und die Gesellschaft zusammenhalten. Er fordert einen neuen politischen Grundkonsens, nicht von den Verlierern, vielmehr von den Gewinnern von Liberalisierung und Modernisierung: „von denen, die bisher vor allem damit beschäftigt waren, sich selbst zu verwirklichen und eher ihr eigenes Ding zu machen, als sich um „die“ Gesellschaft und „den“ Staat zu kümmern“, (21) eines Milieus, „das das Mitte-Versprechen nicht verächtlich macht, sondern der Mehrheit der Menschen ein Gefühl von Sicherheit vermittelt“ (322): Politische Gestaltung brauche, so Habeck, beides, „eine vorausschauende Haltung, ein Narrativ und Einvernehmen“ (21): Der Autor sieht die Identitäts- und Minderheitenpolitik und die Übernahme von Verantwortung für die Nation nicht als Gegensätze. Er spielt Gender, Race, Klasse und Nation nicht gegeneinander aus. Er weiß, Identitäten sind für Menschen wichtig, um das Gefühl zu haben zu einem „Wir“ zu gehören und rät seiner Partei keineswegs „identitätspolitisch abzurüsten“17, wie er in einem Zeit-Interview bereits Mitte März letzten Jahres erklärte.

Das gesellschaftlich Ganze, we, the people, gibt es in stark individualisierten Gesellschaften nicht mehr. Die Aufgabe der neuen Mitte schließe Identitätspolitik ein und gehe gleichzeitig über sie hinaus. Es gehe darum, so Habeck, „eine kollektive Erfolgsgeschichte zu erzählen, die die Menschen im Land verbindet.“ Nur so könne das Paradox, dass mit dem Erfolg der gesellschaftlichen Liberalisierung eine gesellschaftliche Spaltung korreliere, aufgelöst werden. Er sieht die Aufgabe seiner Partei darin, die „emanzipatorischen Fortschritte und die ökonomischen Globalisierungserfolge [zu] bewahren, ohne die Spaltungstendenzen zu vergrößern, ohne die Verluste, die damit strukturell verbunden sind, so stark werden zu lassen, dass alles auseinanderfliegt“18 „Dass Respekt, Anerkennung und der Kampf um Würde ein wichtiger Treiber für politische Prozesse sind“, so Habeck, sei „dabei keine neue Erkenntnis – aber eine zu lange verschüttete“ (266). So gesehen sei es „vielleicht auch verständlich, warum sich sowohl linke Umverteiler als auch marktradikale Liberale schwer damit tun, die richtigen Antworten auf die kulturellen Auseinandersetzungen der letzten Zeit zu finden: weil sie letztlich beide die gesellschaftlichen Prozesse rein ökonomisch denken. Dieses Denken könne aber Gefühle wie „Stolz“, „Scham“ oder „Würde“ nicht wirklich fassen (251). Es gelte die gefährliche Mischung aus ökonomischen Verlusten, Angst vor dem Abstieg und dem Gefühl, keinen Platz, keinen Wert, mehr in der Gesellschaft zu haben, in den Blick zu nehmen.

Ohne Bündnis mit den Wissenschaften wird man die großen Probleme – Pandemien, Klimawandel, Digitalisierung, Biodiversität – nicht lösen. Für Habeck stehen wir am Beginn einer neuen Ära der aktiven Staatlichkeit, von der Deregulierung zur Regulierung, von der Nachsorge zur Prävention. Reckwitz bezeichnet dies als „einbettenden Liberalismus“. Ökologie und Biodiversität verdrängen immer mehr die alten Fortschrittserzählungen mit ihren Verheißungen von grenzenlosem Wachstum. Auch für das Individuum wäre eine weniger enttäuschungsanfällige Lebensweise gesünder und nachhaltiger.

Habeck ist mit seiner Partei angetreten, die Gesellschaft zu versöhnen. Er will ‚das Fahren auf Sicht‘ ersetzen durch einen Kompass, der Orientierung gibt, um auch Krisen präventiv abzufedern, ohne Teile der Gesellschaft sozial und kulturell zu verlieren. Sein sozialdemokratisches Politikangebot richtet sich auch an die Wähler der alten Mittelklasse, an die Krankenschwester, die Pflegekraft, die Kassiererin, den Handwerksmeister und Facharbeiter wie an die neue prekäre Schicht. Habecks ökonomische und kulturelle Lagebeschreibung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2021 trifft mit ziemlicher Sicherheit zu. Gleichwohl gibt es keine Garantie für den politischen Erfolg, selbst wenn die Grünen alles richtig machen. ‚What if we were wrong?‘ bleibt eine aktuelle Frage. Gute Intentionen können nicht intendierte oder nicht gesehene negative Folgen haben. Wo sind die blinden Flecken? Was, wenn die alte Mittelklasse nicht „Angst vor Veränderungen“ hat, sondern sich wohlfühlt und gar keine Änderungen will?

Man sollte nicht unterschätzen, wie sehr klimaschädliche Politik – billiges Fleisch, billige Reisen oder Kleidung – die Gesellschaft stabilisiert. Wer hätte sich noch vor ein paar Jahren vorstellen können, dass heute ein so breites Spektrum rechtsnational wählt? Warum soll sich das plötzlich ändern? Erschwerend hinzu kommen die zum Zeitpunkt der Niederschrift des Buches nicht abzusehenden Folgen der Corona-Krise, die unsere konflikthafte Gesellschaftsformation noch explosiver machen könnte. Müsste Habecks Frage nicht lauten: Wie findet eine Gesellschaft unter den Bedingungen der ‚größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg‘ (Angela Merkel) und ihrer Folgen zu einer Gemeinsamkeit, die es ihr ermöglicht, die notwendigen großen Schritte zu gehen? Wo beginnen? Das Worst-Case-Szenario: Es ist nicht nur von einer Verschärfung der Polarisierung, sondern auch von einer Zuspitzung des Kulturkampfes auszugehen. Die Wahrheit wird weiter unter die Räder kommen. Vertreter der deliberativen Demokratie werden noch weniger Gehör finden. Hat Habeck wirklich alle Kräfte und Dynamiken, die Lösungen und gemeinsamen Fortschritt blockieren, in den Blick genommen? Auch die nicht rationale Seite der Menschen; an denen vernünftige Argumente oft abprallen? Aus der Psychologie und Soziologie wissen wir, wie hartnäckig habituelle und kulturelle Einstellungen sind, besonders in Zeiten der Krise. Das Einzige, was viele Menschen dann wollen, ist soziale Stabilität.

Wie Trump setzen sie auf die Beibehaltung des Alten und scheuen sich nicht davor, Wahrheiten in Lügen zu verwandeln. Die Herstellung eines einvernehmlichen politischen Grundkonsenses wird unter diesen Umständen erheblich erschwert – das Enttäuschungspotenzial bei den Optimisten ist groß. Kulturelle Fragen in den Mittelpunkt zu stellen und die sozialen Probleme dabei zu vernachlässigen, ist nicht ohne Risiko. Schon in den 1990er-Jahren praktizierten die Republikaner eine zynische Manipulationsstrategie bei der sie kulturelle Fragen – Abtreibung, Sexualität, Familie, Ausländer – in den Mittelpunkt stellten, die soziale Frage damit verdeckten und die Gesellschaft spalteten. Eine Strategie, mit der Trump dann erfolgreich ‚den liberalen Eliten‘ allein die Schuld an den Folgen des Neoliberalismus in die Schuhe schieben konnte, während sie die Staatskasse plünderten und die Infrastruktur haben verrotten lassen. Das Credo der US-Konservativen, dass Steuersenkungen für Reiche, Deregulierung für Unternehmen und Kürzungen der Sozialausgaben im Interesse aller hart arbeitenden Amerikaner lägen, fand in den alten Mittelschichten immer mehr Resonanz. Was ist, wenn „Würde und Anerkennung“ gar nicht die „Hauptursache“ der gesellschaftlichen Dynamik sind, sondern das Bedürfnis nach Stabilität und die soziale Ungleichheit, die bisher nur durch eine kulturelle Manipulationsstrategie der Konservativen geschickt verdeckt wurde?

Was ist, wenn in Analogie hierzu auch in hiesigen Koalitionsverhandlungen „Umverteilung und Vermögenssteuer im Papierkorb landen, noch bevor sich Robert Habeck an den Verhandlungstisch gesetzt hat, rasch gefolgt von Hartz-IV-Erhöhungen und Ähnlichem?“ Stefan Reinecke befürchtet: „Die Unterschicht wird in dem schwarz-grünen Bürgerbündnis nicht vorkommen.“19 Es sei daran erinnert: bei den Jamaika-Sondierungen von Grünen, Union und FDP 2017 war eine gerechtere Steuerpolitik eines der ersten Themen, das in den Papierkorb flog.

Wenn eine baldige Realisierung von Habecks Konzept an etwas scheitert, dann am ehesten am konservativen hartnäckigen Beharrungsvermögen von CDU/CSU und ihrer Wählerschaft, an blinden Flecken, an der weiteren Erosion der Rationalität, am Fehlen mündiger und aktiver Bürger, am Mangel an Aufklärung und überzeugender sozialer Konzepte, die den ökologischen Umbau für möglichst alle Betroffene als eine Erfolgsgeschichte erleben lässt, letzten Endes am Mangel des vielen Geldes für das grüne Reformprogramm – meint der Rezensent. In diesem Sinn wären die realen Verhältnisse uns zum Problem geworden. Aber vielleicht befördert die gemeinsam durchlebte Gefahr die Solidarität und den Spielraum für eine Politik, die nicht nur den Reichen helfen will, sondern allen und beendet die Zeit, in der alle Konflikte bloß als „Kulturkonflikte“ erschienen? Es ist an der Zeit, Minderheitenpolitik nicht gegen Verteilungspolitik und sozial-ökologische Transformation auszuspielen. Der neue amerikanische Präsident Joe Biden hat im Mutterland der Kulturkämpfe damit begonnen, zum Beispiel durch einen Mindestlohn von 15 $ und den Wiedereinstieg in das Pariser Klimaabkommen. Umfragen bestätigen, diese Politik stößt bei Mitte-rechts auf breite Unterstützung. Gleichwohl können die realen Verhältnisse auch Treiber für Lösungen sein. „Hinter der Pandemie“, so Ursula von der Leyen, stehe „eine größere Krise: die Zerstörung der Natur, Klimawandel, Artensterben, Massentierhaltung“. Das steigere die „Wahrscheinlichkeit, dass neue Viruserkrankungen vom Tier auf den Menschen“ übergingen. Die Welt stehe erst am „Anfang eines pandemischen Zeitalters“. Wir müssten uns parallel dazu „der größeren ökologischen Krise dahinter stellen“20. Kleiner geht’s nicht und es geht nur gemeinsam.

 

Conclusio

Habeck will das Vertrauen in unsere politische Ordnung zurückgewinnen und ein neues Fundament für den gesellschaftlichen Zusammenhalt schaffen. Er sucht Antworten auf die Frage, warum der Erfolg der liberalen Demokratie zum Misserfolg zu werden droht und entwirft eine Politik, die nicht mehr nur reparieren will, sondern die die Probleme und Verluste des Fortschritts möglichst gar nicht erst entstehen lässt. Der Autor weiß um seine Verantwortung und sucht nach Antworten, die seine blinden Flecken wie die der Politik der vergangenen Jahrzehnte und ihre Widersprüche ausleuchten. Dabei formuliert er eine Politik auf Basis eines neuen gesellschaftlichen Einvernehmens, die den Problemen unserer Zeit – Klimakrise, Zunahme der sozialen Ungleichheit, Krise des Multilateralismus, Vertrauensverlust in die liberale Demokratie – angemessen ist.


Anmerkungen

1 Robert Pausch/Mark Schieritz: Mehr Staat weniger Markt, Die Zeit Nr. 8, 18.02.2021, S. 3

2 Andreas Reckwitz: Das Ende der Illusionen. Politik, Ökonomie, Kultur in der Spätmoderne, Berlin 2019, S. 18.

3 Ijoma Mangold: Je stärker die Liberalisierung der Gesellschaft vorangetrieben wird, umso größer die gesellschaftlichen Spannungen, Die Zeit Nr. 14, 26.03.2021, S. 53.

4 Felix Hackenbruch: Robert Habeck will eine Politik ohne Predigt und Zeigefinger, Tagesspiegel, 20.01.2021, https://www.tagesspiegel.de/kultur/neues-buch-des-gruenen-chefs-robert-habeck-will-eine-politik-ohne-predigt-und-zeigefinger/26831954.html

5 Julia Encke: Politisches Paradox, FAZ, 17.01.2021, https://www.google.de/amp/s/m.faz.net/aktuell/feuilleton/robert-habecks-buch-von-nun-an-anders-17147533.amp.html

6 Robert Probst: Habecks neue Mitte, SZ, 17.01.2021, https://www.sueddeutsche.de/politik/gruene-robert-habeck-buch-1.5177072

7 Peter Unfried: Mitte und gleichzeitig vorn, taz, 16.01.2021, https://taz.de/Neues-Buch-von-Robert-Habeck/!5741473/

8 Radio Bremen, 3 nach 9, 15.01.2021, https://dein.radiobremen.de/videos/robert-habeck-104.html

9 Stephan Lessenich: Rezension zu „Von hier an anders. Eine politische Skizze“ von Robert Habeck, Soziopolis, https://www.soziopolis.de/bleibt-alles-anders-1.html

10 Andreas Reckwitz: Das Ende der Illusionen, Politik, Ökonomie, Kultur in der Spätmoderne, Berlin 2019, S. 19.

11 Andreas Reckwitz: Verblendet vom Augenblick, Die Zeit Nr. 25, 10.06.2020, S. 45.

12 Niels Heisterhagen: Linker Realismus, Neue Gesellschaft, Frankfurter Hefte, 10/2018, Berlin, S. 8.

13 Wolfgang Thierse: Wie viel Identität verträgt die Gesellschaft, FAZ, 22.02.2021, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/wolfgang-thierse-wie-viel-identitaet-vertraegt-die-gesellschaft-17209407.html

14 Wolfgang Thierse: FAZ-Beitrag von Wolfgang Thierse – „Wie viel Identität verträgt die Gesell-schaft“ Identitätspolitik darf nicht zum Grabenkampf werden, der den Gemeinsinn zerstört: Wir brauchen eine neue Solidarität, https://www.thierse.de/startseite-meldungen/22-februar-2021/

15 Ijoma Mangold/Adam Soboczynski: „Man muss nicht immer was müssen”, Die Zeit Nr. 3, 14.01.2021, S. 42.

16 Ijoma Mangold, a. a. O.

17 Ebenda.

18 Ijoma Mangold/Adam Soboczynski, a. a. O.

19 Stefan Reinecke: Schwarz-Grün kommt, taz 19.12.2020, https://taz.de/Ausblick-auf-das-Wahljahr-2021/!5735727/

20 Ursula von der Leyen im Interview mit Bernd Ulrich: „Wir stehen im Sturm“, Die Zeit Nr. 8, 18.02.2021, S. 2.

 

Alle Anmerkungen wurden am 09.03.2021 geprüft.

 

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