The Impact of Faith: Does Religion Make a Difference in Political Conflict?
Das in der Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Tübingen entwickelte, instruktive Diskussionspapier untersucht die Rolle von Religionen als konfliktmindernder oder konfliktverstärkendem Faktor, insbesondere in internationalen Konflikten. Das Diskussionspapier soll als theoretische Grundlage weiterer empirischer Studien dienen. Nach Hasenclevers und Rittbergers Ansicht sind unterschiedliche religiöse Bekenntnisse als solche keine Ursache für gewalttätige politische Konflikte, sie können aber das Konfliktverhalten nachdrücklich beeinflussen. Ausgehend von einem elitenorientierten Rational-Choice-Ansatz, der mit modernisierungstheoretischen Grundannahmen verknüpft wird, werden als Strategien gegen eine konfliktverschärfende Rolle von Religionen die sozio-ökonomische Modernisierung und Demokratisierung der beteiligten Gesellschaften, die Androhung von Sanktionen gegenüber gewaltbereiten Gruppen (Erhöhung der politischen Kosten gewalttätiger Aktionen) und schließlich eine Dialogstrategie mit den Konfliktparteien empfohlen, die darauf zielt, Gewaltanwendung als Mittel, politische Ziele zu erreichen, zu delegitimieren. In diesem Kontext wird die Fortsetzung der Bemühungen um einen Dialog zwischen den Weltreligionen und um ein diese verbindendes Weltethos (Hans Küng) befürwortet, da ein gemeinsames Ethos in Krisensituationen erweiterte Spielräume für politische Verhandlungen und Kompromißfindungen eröffne. Die Glaubensinhalte und Moralvorstellungen der angesprochenen Weltreligionen werden nicht thematisiert. Für die Strategie des Dialogs nennen die Autoren eine ganze Reihe historischer und aktueller Beispiele, zu denen das von Papst Johannes Paul II. initiierte Friedensgebet in Assisi sicherlich hinzuzufügen wäre. In theoretischer Hinsicht stehen die Idee der Konfliktverminderung durch interreligiösen Dialog (16-21) und die ausdrücklich bejahte, modernisierungstheoretisch begründete Annahme eines rückläufigen Einflusses von Religion in sich modernisierenden Gesellschaften (14) in einer von den Autoren nicht thematisierten, d. h. nicht aufgelösten, für die vorgetragenen praktischen Empfehlungen gleichwohl wichtigen Spannung.