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Mario Martini

Wenn das Volk (mit)entscheidet ... Wechselbeziehungen und Konfliktlinien zwischen direkter und indirekter Demokratie als Herausforderung für die Rechtsordnung

Berlin: Duncker & Humblot 2011 (Schriftenreihe der Hochschule Speyer 213); 155 S.; 38,- €; ISBN 978-3-428-13759-6
Obgleich die Verfassung der Bundesrepublik wegen in der Geschichte zu suchender Gründe vor allem repräsentativdemokratische Elemente stark macht, wurde in den vergangenen Jahren die Forderung nach einer größeren direkten Mitbestimmung durch das Volk lauter. Würde die Politik diesem bürgerlichen Appell einen größeren gesetzlichen Raum geben, träten verstärkt zwei rivalisierende Kompetenzträger nebeneinander, wodurch Reibungsflächen entstehen könnten. Vor diesem Hintergrund macht es sich Martini zur Aufgabe, zunächst darzulegen, in welchem Rahmen sich plebiszitäre Elemente in der deutschen und europäischen Verfassungsordnung bereits entfalten können. Dann leuchtet er das Spannungsfeld zwischen Volks- und Parlamentsgesetzgebung aus und stellt abschließend Lösungen vor, die die zuvor analysierten Konfliktlagen entschärfen können. Martinis Vorschläge sind nicht als Masterplan zu verstehen, sondern können helfen, gewisse Vorbehalte beziehungsweise verklärende Vorstellungen von direktdemokratischer Beteiligung auszuräumen: Plebiszitäre Elemente dürften nach Martinis Ansicht keinesfalls als Misstrauensvotum gegenüber der repräsentativen Demokratie gewertet werden, sondern können vielmehr eine sinnvolle Kontroll-, Mobilisierungs- und Korrektivfunktion ausüben. Da Bürger- und Volksentscheide helfen, Kritik zu organisieren – einer der größten Vorzüge der Volksherrschaft –, können sie durch die Kanalisierung von Bürgerprotest eine grundsätzlich positive konfliktsoziologische Wirkung erzielen. Außerdem gelingt es, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des politischen Prozesses zu erhöhen, was zu einer größeren Akzeptanz der politischen Ordnung insgesamt führt. Allerdings macht Martini auch klar, dass direktdemokratische Beteiligungsformen nicht nur Vorteile in sich bergen: Neben hohen Transaktionskosten sind plebiszitäre Elemente durch ein erhebliches Maß an Schwerfälligkeit und zeitlicher Verzögerung gekennzeichnet – große finanzielle, logistische und zeitliche Ressourcen müssen aufgebracht werden, um Bürger zu informieren, zu mobilisieren und abstimmen zu lassen. Trotz dieser Reibungsverluste, die zwischen repräsentativer Demokratie und der in ihr verankerten plebiszitären Elemente entstehen, spricht sich Martini am Schluss für eine Kombination beider aus, da „genau jene Synergien direkter und repräsentativer Demokratie einen Vorteil der Demokratie fruchtbar machen. Johann Wolfgang von Goethe hat ihn treffend auf den Punkt gebracht: ‚Demokratie rast nicht, aber sie kommt sicherer zum Ziel‘.“ (96)
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.32 | 2.325 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Mario Martini: Wenn das Volk (mit)entscheidet ... Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34908-wenn-das-volk-mitentscheidet-_41973, veröffentlicht am 31.05.2012. Buch-Nr.: 41973 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken