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Menno Preuschaft

Tunesien als islamische Demokratie? Rāšid al-Ġannīūšī und die Zeit nach der Revolution

Münster u. a.: Waxmann Verlag 2011; 124 S.; brosch., 19,90 €; ISBN 978-3-8309-2619-1
Nach der Flucht des tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali im Januar 2011 nach Saudi-Arabien war der Sieg der Jasmin-Revolution besiegelt. Diese war zugleich der Beginn des arabischen Frühlings. Preuschaft untersucht nun die Chancen einer islamischen Demokratie in Tunesien, wobei er sich vor allem mit der Ideologie von Rasid al-Gannusi beschäftigt. Dieser ist Führer der Nahda-Bewegung, die bei den Wahlen am 23. Oktober 2011 als stärkste Partei hervorging. Preuschaft fragt, wie gemäß dieser Ideologie angesichts der Religionsfreiheit die Menschenrechte ausgestaltet werden können. Festgestellt wird, dass mit der Religionsfreiheit „nicht das Prinzip der Gleichheit“ (81) zugrunde gelegt wird, sondern „religiöse Freiheit im Rahmen weitgehender Toleranz, also von Duldung“ (81) gewährt wird. Juden und Christen werden zwar nicht zur Konversion gezwungen, aber es existiere ein religiös motiviertes Überlegenheitsgefühl. Als Beispiel analysiert Preuschaft die Vorstellungen von Rasid al-Gannusi in Bezug auf Apostasie. Der Abfall vom Islam sei in der klassischen islamischen Lehre ein Vergehen gegen das Recht Gottes. Üblicherweise werde der Apostat zum Bekämpfer der Sache Gottes erklärt, „wodurch seine Tötung zum Zweck der Abwehr der von ihm ausgehenden Gefahr nötig und legitim wird“ (82). Al-Gannusi gehe hingegen davon aus, dass im Koran eine Bestrafung für Apostasie nicht vorgesehen sei, es handle sich vielmehr um ein „politisches Vergehen“ (84). Er betrachtet Apostasie also nicht unter dem Aspekt der Freiheit des Glaubens, sondern als „Hochverrat[.]“ (84). Dies bedeutet, dass Apostasie nicht zwangsläufig mit dem Tod bestraft werden müsse. Preuschaft bemängelt zu Recht, dass „zumindest theoretisch auch bei ihm diese letzte Option bestehen“ (85) bleibt. Die Gleichstellung aller Bürger bleibt aber auch bei al-Gannusi grundsätzlich ein Problem, so ist das Recht auf politische Partizipation „für nichtmuslimische Bürger nur bedingt vorgesehen“ (112). Das Buch bietet einen guten Überblick über die Probleme der islamischen Herrschaft in Tunesien.
Wahied Wahdat-Hagh (WWH)
Dr., Dipl.-Soziologe und Dipl.-Politologe.
Rubrizierung: 2.67 | 2.21 | 2.22 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Wahied Wahdat-Hagh, Rezension zu: Menno Preuschaft: Tunesien als islamische Demokratie? Münster u. a.: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34917-tunesien-als-islamische-demokratie_41983, veröffentlicht am 16.05.2012. Buch-Nr.: 41983 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken