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Eva Herschinger / Judith Renner (Hrsg.)

Diskursforschung in den Internationalen Beziehungen

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Innovative Forschung – Theorien, Methoden, Konzepte 1); 400 S.; brosch., 79,- €; ISBN 978-3-8487-0328-9
Die Diskursforschung wurde in der deutschsprachigen Beschäftigung mit den Internationalen Beziehungen lange Zeit stiefmütterlich behandelt. Eva Herschinger und Judith Renner zeigen mit diesem Sammelband hingegen auf, wie thematisch vielfältig und methodisch reflektiert diese für die Analyse internationaler Politik sein kann. Die insgesamt zehn Artikel sind alle der poststrukturalistischen Diskursforschung zuzuordnen und knüpfen damit mal enger und mal weiter an die Arbeiten von Michel Foucault, Jacques Derrida, Ernesto Laclau und Chantal Mouffe an. Cornelia Bruell untersucht die „Identifikationsmomente“ (178) der Bürger_innen mit der Europäischen Union mittels einer Diskursanalyse über die Berichterstattung zu den Verfassungsentwürfen 2005 bis 2006 in Großbritannien, Deutschland und Österreich. Angenommen wird, dass die Bürger_innen als Subjekte nur „im und durch diese Diskurse“ (179) entstehen. Die Autorin zeigt, dass es eine für alle drei Länder erhebliche diskursive Kluft zwischen Bürger_innen und der Elite gibt, wobei Erstere als passive Zuschauer_innen konstruiert werden können. Zudem bilden die nationalen Debatten und hier vor allem die britischen Medien die EU als etwas Anderes, als Fremdes zum vertrauten Nationalstaat ab. Aram Ziai nutzt eine poststrukturalistische Diskursanalyse hingegen für das Feld der Entwicklungspolitik. Im Anschluss an Foucaults Verständnis von Wissen und Macht zeigt Ziai, dass der gegenwärtige Diskurs der Entwicklungspolitik zwar „neoliberaler, [aber] auch partizipativer und weniger überheblich geworden“ (235) ist. Trotzdem bleiben im Diskurs Rollen wie die der westlichen Expert_innen bestehen oder es manifestiert sich ein ungleiches Machtverhältnis durch die Einteilung in entwickelte und weniger entwickelte Länder. Im Resümee konstatiert Thomas Diez – einer der ersten, der sich der Diskursforschung in den Internationalen Beziehungen widmete –, dass sowohl die Themenbreite dieses Forschungsstranges als auch die methodische Reflexion über das eigene Vorgehen zu begrüßen sind. Doch Diez sieht eine Gefahr darin, dass die Diskursforschung ihren kritischen Impetus verliert und plädiert dafür, dass sie sich wieder auf ihre Grundidee – Problematisierung und Infragestellung des Unhinterfragten – konzentrieren sollte.
Stefan Wallaschek (WAL)
Doktorand, Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS).
Rubrizierung: 4.1 | 4.41 | 4.2 | 4.21 | 4.5 | 4.44 | 4.45 | 3.1 | 2.67 | 2.68 Empfohlene Zitierweise: Stefan Wallaschek, Rezension zu: Eva Herschinger / Judith Renner (Hrsg.): Diskursforschung in den Internationalen Beziehungen Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37470-diskursforschung-in-den-internationalen-beziehungen_45854, veröffentlicht am 28.08.2014. Buch-Nr.: 45854 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken