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Christine M. Klapeer

Perverse Bürgerinnen. Staatsbürgerschaft und lesbische Existenz

Bielefeld: transcript Verlag 2014 (QueerStudies 4); 343 S.; kart., 34,90 €; ISBN 978-3-8376-2000-9
Diss. Innsbruck. – Christine M. Klapeer, selbst als politische Aktivistin, Kulturarbeiterin und im Rahmen der antidiskriminatorischen Bildungspolitik engagiert, stellt den „Schlüsselbegriff der europäischen Moderne“ (13), nämlich die im Konzept institutionalisierter Staatsbürgerschaft gefasste nationale Zugehörigkeit und Integration eines Menschen, in den Mittelpunkt ihrer Analyse. Das Konzept ist jedoch keineswegs als neutral zu verstehen, sondern nimmt – hierin schließt sie an die gouvernementalitätstheoretischen Überlegungen Foucaults an – Ein‑ und Ausschließungen vor. Ihre Dissertation verfolgt dabei das Anliegen, „die Institution Staatsbürgerschaft, die ihr zugrunde liegenden Diskurse und Praktiken und ihr Verhältnis zu ‚sexueller Devianz’ auf eine neue Art in den Blick zu nehmen“ (18). In den Blick kommt somit die Durchsetzung einer „heteronormativen Strukturierung“ (19) von Gesellschaft, also das Postulat einer bestimmten Form von Normalität, die anderen Lebensformen gegenüber nicht nur als bevorzugenswert behauptet, sondern tatsächlich auch durch staatliche Praktiken bevorzugt wird. Das wohl frappierendste Beispiel hierfür ist die Frage der staatlichen Sanktionierung bestimmter Partnerschaftsformate – also die schwierige und lange Auseinandersetzung um die Gleichstellung hetero‑ und homosexueller Partnerschaften mit Blick auf die rechtlich (nicht nur in Deutschland) aus Gründen gesellschaftlicher Reproduktion besonders geschützte Institution der Familie und die daran gebundenen Rechten und Pflichten. So sind hinsichtlich der Möglichkeit der Adoption von Kindern homosexuellen Paaren immer noch strikte Grenzen gesetzt, ohne dass deren tatsächliche Befähigung zum Aufziehen und Erziehen von Kindern in den einschlägigen politischen Debatten überhaupt eine Rolle gespielt hat. Angesichts solcher Realitäten stellt sich für Klapeer weniger die Frage des politisch vermittelten Interessenausgleichs, als vielmehr die nach einem weiterreichenden, radikaleren Widerstand: „Insofern stellt sich für mich am Ende dieser Arbeit die Frage, ob die anzustrebende Zukunft daher nicht eher in einer Weiterentwicklung und Intensivierung von ‚counter‑hegemonic’‑, ‚dissident’‑ und ‚insurgent’‑citizenship‑Praktiken [...] liegen sollte, anstatt in einer neoliberal‑marktkonform und weiterhin exklusivierend gestaltenden Institution inkludiert zu werden.“ (302) Klarer kann sich die von ihr angekündigte „Politik der Verortung“ (10) – nicht zuletzt auch gegenüber der Mehrheitsgesellschaft – kaum positionieren.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.275.335.412.21 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Christine M. Klapeer: Perverse Bürgerinnen. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37683-perverse-buergerinnen_46106, veröffentlicht am 16.10.2014. Buch-Nr.: 46106 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken