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Nils Minkmar

Der Zirkus. Ein Jahr im Innersten der Politik

Frankfurt a. M.: S. Fischer 2013; 220 S.; 2. Aufl.; 19,99 €; ISBN 978-3-10-048839-8
Der Leiter des Feuilletons der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nils Minkmar ist ein feinsinniger und präziser Beobachter der politischen und gesellschaftlichen Lage im Land. Als „embedded journalist“ hat er Peer Steinbrücks missglückten Versuch beobachtet, die Kanzlerschaft zu erringen. Was Minkmar dabei „mit meinem Gewissen vereinbaren könne“ (11), durfte er auch aufschreiben. Entsprechend lässt er kein Fettnäpfchen aus, in das der Kandidat trat, verschweigt nicht, was am Wahlkampf der SPD offenkundig misslang. Dabei reflektiert Minkmar neben der Rolle des wahlkämpfenden Steinbrück zwei andere Ebenen. Zum einen hinterfragt er die Rolle seiner Journalistenkollegen. Diese urteilten aus der Distanz und auch Minkmar bekennt, dass er aus dieser Perspektive heraus wohl ein anderes Urteil gefällt hätte als aus der Nähe. Er ist geradezu erstaunt darüber, dass die Politiker ganz anders sind als in den Redaktionsstuben zuweilen konstatiert wird. Minkmar jedenfalls fand „kaum Machtspiele, keine übergroßen Egos, keine chauvinistischen oder unbeherrschten Attitüden, kein Dominanzgehabe und kein Lästern über andere“ (214) vor. Und auch die umgreifende Skandalisierung, die die Medien nach den schweren anfänglichen Patzern Steinbrücks immer weitertrieben, nervt Minkmar erkennbar an. Aber er ist auch irritiert, wie sich zum anderen die Wähler verhielten. Schließlich hatten die Sozialdemokraten einen bunten Strauß an Forderungen präsentiert, „den man da in bester Absicht zusammengeschrieben hat“ und für dessen Umsetzung „auch zehn Legislaturperioden knapp werden“ (116) dürften. Zwar sei das Wahlprogramm sprachlich eine Katastrophe gewesen, was der Autor mit Genuss ziseliert. Doch seien es die darin angestrebten Ziele und Maßnahmen nicht eher wert gewesen, über sie zu streiten, als über die ganzen Petitessen in Steinbrücks Auftreten? Die offenkundige Entpolitisierung von Politik gibt sodann am Ende nicht nur einem politisch denkenden Journalisten zu überlegen. Minkmar legt somit ein lesenswertes Buch vor, das anregt, über den Zustand des politischen Systems einmal grundlegend zu sinnieren.
Stephan Klecha (SKL)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.3312.315 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Nils Minkmar: Der Zirkus. Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37716-der-zirkus_44752, veröffentlicht am 30.10.2014. Buch-Nr.: 44752 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken