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Sebastian Budgen / Stathis Kouvelakis / Slavoj Žižek (Hrsg.)

Lenin Reloaded. Für eine Politik der Wahrheit. Übersetzung aus dem Englischen von Jürgen Schneider und Hans-Christian Oeser. Übersetzung aus dem Italienischen von Thomas Atzert

Hamburg: LAIKA Verlag 2014 (LAIKAtheorie); 367 S.; 28,- €; ISBN 978-3-942281-14-0
Auch wenn es mittlerweile im Mainstream angekommen ist, sich auf Marx zu berufen, gibt es gleichzeitig ein Tabu, sich der konsequenten Fortführung einer marxistischen Tradition zu bedienen. Kann man Marx noch als Klassiker der Soziologie lesen, assoziiert man die Weiterentwicklung seiner Theorie meist mit dem Totalitarismus selbst. Insofern ist es ein Tabubruch, Lenin als jenen Denker zu präsentieren, der den Ausweg aus der postmodern‑kapitalistischen Entropie zu weisen vermag. Diesen Anspruch erhebt aber der Band, der größtenteils auf eine bereits 2001 abgehaltene Konferenz zurückgeht. Lenin erscheint darin nicht in Form einer starren Lehre, sondern als eine revolutionäre Geste, die es folglich zu wiederholen gelte. Nimmt man beispielsweise Alex Callinicos’ Plädoyer zur Grundlage dieser Einschätzung, der zufolge Lenins heutige Relevanz in dem Dreischritt aus einer strategischen Analyse der Verhältnisse, dem Verständnis der Spezifik von Politik und der Notwendigkeit zu politischer Organisation besteht, verliert die Lenin’sche Theorie an vermeintlichem Schrecken. Und so werden im Laufe der Beiträge viele Missverständnisse aus dem Weg geräumt – etwa die Verkennung des Intellektuellenbegriffs der Avantgarde, der, wie Terry Eagleton ausführt, lediglich „eine soziale oder politische Verortung wie ‚Friseur‘ […], nicht einen sozialen Rang oder Ursprung“ (55) bezeichnet, oder, wie Slavoj Žižek herausstellt, die fälschliche Identifikation eines revolutionären Projekts mit populistischer Agitation. Dass man heute vor Lenin dermaßen zurückschreckt, entpuppt sich damit nicht zuletzt auch als Ergebnis bürgerlicher Denunziation, die mit Lenin das mittlerweile Undenkbare begraben wollte. Denn für Lenin stand nicht weniger auf dem Spiel als die historische Wahrheit selbst, ein Gedanke, der in postmodernen Zeiten wie eine Farce wirken muss, steht er doch der universellen Deontologisierung des Kapitalismus direkt entgegen. Lenins Wahrheit ist eine dialektische, in der sich der Zusammenhang des Widerspruchs zwar aus einer parteilichen Position zeigt, aber einer darin objektiven, sprich, von den Verhältnissen determinierten. Lenin’sche Politik dient also gerade dazu, „die Kampflinien offenzulegen, die von der mystischen Phantasmagorie der Ware verdeckt worden sind“ (168). In vielen hochkarätigen Beiträgen liefert der Band damit eine vielschichtige Auseinandersetzung mit den großen Fragen linker (revolutionärer) Politik. Dass Lenin dafür mehr ein Anlass bleibt, schließt zugleich jede Form der Götzenverehrung aus, sodass man die Dringlichkeit seiner Gedanken durchaus mit Distanz zu seiner konkreten Person bejahen kann.
Alexander Struwe (AST)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 2.225.425.46 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Sebastian Budgen / Stathis Kouvelakis / Slavoj Žižek (Hrsg.): Lenin Reloaded. Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37776-lenin-reloaded_45689, veröffentlicht am 13.11.2014. Buch-Nr.: 45689 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken