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Immanuel Wallerstein / Randall Collins / Michael Mann / Derluguian Georgi / Craig Calhoun

Stirbt der Kapitalismus? Fünf Szenarien für das 21. Jahrhundert. Aus dem Englischen von Thomas Laugstien

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2014; 240 S.; geb., 24,90 €; ISBN 978-3-593-50176-5
Fünf Vertreter der Historischen Soziologe von Weltrang nehmen sich in diesem Band nichts weniger als der Zukunft des kapitalistischen Weltsystems an. „Wir leben in einer Strukturkrise, in der es einen Kampf um das Nachfolgesystem gibt“ (46), lautet der gemeinsame Ausgangspunkt der analytischen Stresstests, die hier aus den jeweiligen Perspektiven vollzogen werden. Der Weltsystemtheoretiker Immanuel Wallerstein attestiert dem globalen Kapitalismus, sich mittlerweile zu weit von einem Gleichgewicht entfernt zu haben, als dass es eine Möglichkeit gebe, dieses in seiner eigenen Logik noch einmal zu erzeugen. Im Ergebnis werde das System an seiner innersten Dynamik scheitern, der Kapitalakkumulation selbst, die die Märkte quasi an ihre Grenzen treiben werde. Randall Collins stimmt dieser Diagnose insofern zu, als auch er eine systemimmanente Selbstzerstörung hervorhebt, die den Kapitalismus in den kommenden Jahrzehnten an sein Ende bringen wird: Die Weiterentwicklung der Informationstechnologien wird sukzessive eine Mittelschicht zerstören, die selbst eine strukturell unterminierte Industriearbeiterklasse beerbt hatte. Da alle tradierten Kompensationsmöglichkeiten des Systems in die Sackgasse führen, geht es folglich darum, über den gewaltärmsten Weg in die postkapitalistische Ära zu beraten. Weniger drastisch sieht Michael Mann die Krise des Kapitalismus, den er nicht als alles determinierendes System fasst, sondern als Überlagerung von verschiedenen Kräfteverhältnissen. Entsprechend sei dieser durchaus zu Reformen in der Lage, sodass ein revolutionärer Umbruch unwahrscheinlich werde. Vielmehr dürfte „die Zukunft der Linken […] allenfalls die reformistische Sozialdemokratie oder der Liberalismus sein“ (115). Dieses Potenzial stoße aber letztlich auch mit den externen Herausforderungen von Atomkrieg und Klimakatastrophe an seine Grenzen. Auch Craig Calhoun äußert seine Bedenken hinsichtlich der Annahme, dass der Kapitalismus scheitern müsse. Sein Wesen als politische Ökonomie biete schlicht zu viele Justierungsmöglichkeiten, als dass er sich einfach überleben könne. Denkbarer seien Transformationsprozesse, die einer genauen Analyse bedürften. Von dem Kollaps eines Systems, wie dem Zusammenbruch des Sowjetblocks, grenzt auch Georgi Derluguian die Zukunft des Kapitalismus ab. Trotzdem könne die Lehre dieser historischen Episode sein, dass eine breite bürgerschaftliche Transformationsbewegung einen gewalttätigen Umsturz vermeiden könne. Insgesamt herrscht unter den Autoren Einigkeit über die Dringlichkeit des Themas, implizit aber auch über die Ungewissheit der Zukunft, der man nur einen optimistischen Grundton entgegenzusetzen weiß.
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Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Immanuel Wallerstein / Randall Collins / Michael Mann / Derluguian Georgi / Craig Calhoun: Stirbt der Kapitalismus? Frankfurt a. M./New York: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37920-stirbt-der-kapitalismus_46293, veröffentlicht am 18.12.2014. Buch-Nr.: 46293 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken