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Thomas Mayer

Frei in Europa. Österreich rückt ins Zentrum eines turbulenten Kontinents

Wien/Graz/Klagenfurt: Styria Premium 2014; 223 S.; hardc., 24,99 €; ISBN 978-3-222-13460-9
„Dieser Schlepper war ich, der Autor dieses Buches.“ (16) Mayer beschreibt in einem aufregenden Prolog, wie er 1989 vier DDR‑Familien bei der Flucht über die ungarische Grenze nach Österreich half. Als junger Zeitungsreporter habe er verstehen wollen, was Menschen durchmachen, „wenn sie an und über ihre Grenzen gehen“ (16). Wenn er beschreibt, wie er einen dreijährigen Jungen, der von seinen panischen Eltern zurückgelassenen wurde, durch eine Lücke im Stacheldraht schiebt, hat das fast Abenteuerroman‑Qualität. Der erfahrene Journalist beschreibt die Höhepunkte der europäischen Geschichte der letzten Jahrzehnte aus der Perspektive Österreichs nicht nur szenisch spannend, er analysiert politisch und gewährt Einblicke hinter die Kulissen: Das Foto, das zwei Politiker in Anzügen zeigt, die mit Bolzenschneidern an einem Grenzzaun den Stacheldraht durchschneiden, ging um die Welt. Es wurde zur Ikone des Falls des Eisernen Vorhangs. Doch dass die Außenminister Österreichs und Ungarns an diesem Tag die Grenze so symbolträchtig durchtrennten, sei eine geplante Inszenierung gewesen. Ungarn habe schon zwei Monate vorher angefangen, die Grenzbarrieren abzubauen. Mayer, ehemaliger Europakorrespondent der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“, schneidet noch zahlreiche weitere Themen an, darunter den Jugoslawienkrieg, die Einführung des Euro und die Maßnahmen der EU‑Partnerländer gegen die FPÖ‑Regierungsbeteiligung. Anfang 2000 ergriffen die damals 14 übrigen EU‑Länder diplomatische Sanktionen, um gegen die Beteiligung der rechtspopulistischen FPÖ unter Jörg Haider an einer Koalitionsregierung mit der ÖVP zu protestieren. Gerade Frankreich habe das als eine Verletzung des gesellschaftlichen Konsenses gesehen, keine rassistischen Rechtsaußenparteien an die Macht zu lassen. Der Streit habe das Verhältnis Österreichs zu Europa dauerhaft abgekühlt. Das könne jedoch auch am Zustand des europäischen Gemeinschaftsprojektes liegen – Mayer beklagt Ineffizienz und fehlende Handlungsfähigkeit der EU: „Achtundzwanzig Kommissare sind schlicht zu viel“ (220).
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Rubrizierung: 2.44.222.613.7 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Thomas Mayer: Frei in Europa. Wien/Graz/Klagenfurt: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38137-frei-in-europa_46283, veröffentlicht am 05.03.2015. Buch-Nr.: 46283 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken