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Nina Scholz / Heiko Heinisch

Charlie versus Mohammed. Plädoyer für die Meinungsfreiheit

Wien: Passagen Verlag 2016 (Passagen Thema); 109 S.; 12,90 €; ISBN 978-3-7092-0192-3
Nach den Anschlägen auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt in Paris im Januar 2015 waren Entsetzen und Betroffenheit groß. Die Anteilnahme in Frankreich, Europa und der Welt war überwältigend – alle waren Charlie. Doch nur wenige Tage nach den Terrorakten setzte, so Nina Scholze und Heiko Heinisch, ein Prozess der Relativierung, gar der Selbstzweifel ein: Nicht wenige Stimmen hätten gemutmaßt, „ob Charlie Hebdo nicht vielleicht zu weit gegangen sei. Zu weit womit? Wie weit darf man gehen, ohne die eigene Ermordung zu riskieren? Und: Sind die Opfer im jüdischen Supermarkt in Paris auch zu weit gegangen?“ (11) Das Plädoyer, das Scholz und Heinisch auf den folgenden Seiten in einer überaus klaren und unaufgeregten, dafür aber nicht minder eindringlichen Sprache entfalten, kreist um zentrale Bestandteile unserer Demokratie: Um Meinungs‑ und Religionsfreiheit, um Pluralismus und die Frage, wie das Kontingente, wie das notwendig Konfliktuelle in der Demokratie ausgetragen werden kann. Dabei kommen sie insgesamt zu dem Schluss, dass partikulare oder Sonderrechte, die auf etwaige Gruppenbefindlichkeiten reagieren, keine Lösung seien, denn sie hätten einen per se ausschließenden Charakter. Stattdessen müsse Inklusion – und zwar eine, die in Europa auch den Islam einschließe – auf der Einhaltung und Garantie gleicher Rechte, gleicher Behandlung und natürlich auch gleicher Pflichten für alle Mitglieder einer Gesellschaft gründen. Nur dann könne sie gelingen. Weit weniger überzeugend als dieses Plädoyer ist jene Passage, die über einen ideengeschichtlichen Rekurs auf Rousseaus volonté générale gleich einen Bogen zu den Linkstotalitarismen des 20. Jahrhunderts zu schlagen versucht. Derlei ist Rousseau in seiner Antwort auf die Frage, wie denn eine Gesellschaft, in der niemand mehr in Ketten liegen solle, überhaupt zusammengehalten werden könne, fremd. Das von ihm entworfene republikanische Demokratiemodell ist weit weniger totalitär, als die liberale Demokratie mit ihren neoliberalen Ökonomisierungstendenzen von sich zu behaupten vermag. Wie dem auch sei – mit einem haben Scholz und Heinisch absolut Recht, auch nach den erneuten Anschlägen des 13. November 2015: Angst ist kein guter Ratgeber für eine auf die Wahrung der Bürger‑ und Freiheitsrechte bedachte Politik.
{LEM}
Rubrizierung: 2.212.222.252.234.42 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Nina Scholz / Heiko Heinisch: Charlie versus Mohammed. Wien: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39936-charlie-versus-mohammed_40016, veröffentlicht am 25.08.2016. Buch-Nr.: 48419 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken