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Stefan Scheil

Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland zwischen 1881 und 1912. Eine wahlgeschichtliche Untersuchung

Berlin: Duncker & Humblot 1999 (Beiträge zur Politischen Wissenschaft 107); 400 S.; 128,- DM; ISBN 3-428-09483-2
Politikwiss. Diss. Karlsruhe; Gutachter: R. Lill, W. Altgeld. - Anliegen der Arbeit ist der Versuch, zu erklären, "wie es eigentlich dazu kommen konnte, daß eine Drei-Prozent-Bewegung über fünfundzwanzig Jahre hinweg, zwischen 1887 und 1912, in verschiedensten protestantischen Regionen Deutschlands absolute Mehrheiten gefunden hat" (8). Dem Autor geht es damit weniger um eine theoriegeschichtliche Untersuchung als vielmehr, wie der Untertitel der Arbeit deutlich macht, um die Betrachtung antisemitischer Parteien und ihrer Reichstagskandidaten. Entgegen gängiger Praxis, den (partei-)politischen Antisemitismus des Kaiserreiches für eine eher ephemere Erscheinung zu halten, ordnet Scheil ihn in die generelle konservative Parteirichtung ein. Geschickte Bündnispolitik war der Schlüssel zum Erfolg, den zumindest einzelne antisemitische Politiker in dieser Zeit erzielen konnten. Dies erklärt, warum sie trotz geringem Stimmanteil einen im Mehrheitswahlsystem für Splitterparteien ohne Nischencharakter eigentlich kaum zu erringenden Mandatsanteil verbuchten. Aber diese Erfolge blieben punktuell: Das generelle Unverständnis der Konservativen gegenüber der Moderne (und ihre hieraus resultierende abnehmende Bedeutung in Wahlen!) sieht Scheil auch als Ursache für den Mißerfolg antisemitischer Parteien, die somit als Teil eines größeren Ganzen erfaßt werden. Ob es allerdings erforderlich war und für den Leser informativ ist, über die Hälfte des Buches mit biographischen Informationen und vor allem mit tabellarischen Auflistungen von Stimmenanteilen zu füllen, erscheint zweifelhaft. Inhaltsübersicht: 1. Die Entwicklung deutscher Antisemitenparteien zwischen 1881 und 1912: Ein wahlgeschichtlicher Untersuchungsansatz; 2. Zwischen Reichsfeinden und Kaisertreuen: Das politische Spektrum der wilhelminischen Ära und sein Verhältnis zum Antisemitismus; 3. Der politische Antisemitismus in den Reichstagswahlen zwischen 1881 und 1912: Die Wahlkämpfe und ihr politischer Hintergrund; 4. Übersicht über Wahlergebnisse der Parteien mit antisemitischer Ausrichtung von 1890 bis 1912; 5. Antisemitische Hochburgen; 6. Mandatsträger und Funktionäre antisemitischer Parteien und Verbände.
Michael Dreyer (MD)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.311 Empfohlene Zitierweise: Michael Dreyer, Rezension zu: Stefan Scheil: Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland zwischen 1881 und 1912. Berlin: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/8605-die-entwicklung-des-politischen-antisemitismus-in-deutschland-zwischen-1881-und-1912_11335, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 11335 Rezension drucken