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Friedrich Fürstenberg

Die Zukunft der Sozialreligion

Konstanz: UVK Universitätsverlag 1999 (Passagen & Transzendenzen 9); 180 S.; brosch., 38,- DM; ISBN 3-87940-691-X
"Man kann das gegenwärtige Spannungsfeld Religion-Gesellschaft als Ergebnis eines Modernisierungsprozesses interpretieren, der zu einer umfassenden Säkularisierung von Bewußtseins- und Organisationsstrukturen geführt hat. Dies hat jedoch den 'religiösen Faktor' (Lenski) weder in seiner individuellen noch in seiner konfessionellen Ausprägung verdrängt. Er hat lediglich die Sozialform seiner Wirksamkeit verändert." (9) Fürstenberg, einer der Altmeister der bundesdeutschen (Religions-)Soziologie, fragt nach dieser spezifischen Sozialform von Religion und Christentum in westlichen Gesellschaften der Gegenwart und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung. Er plädiert dabei für eine Mehrebenenanalyse, die mikro- und makrosoziologische Perspektiven verknüpft. Insbesondere unterstreicht er den zentralen Beitrag einer Soziologie der Institutionen (7-18). Der Blick wird daher zuerst auf langfristige Entwicklungstendenzen wie den Wandel der ursprünglichen Volksreligiosität zur privatisierten Sinnsuche beim Individuum gerichtet (19-56). Dann werden die Veränderungen der Kirchen als Institution von der ehemaligen Staatskirche über den Zwischenschritt der Volkskirche hin zur historischen neuen Form der "Verbandskirche" nachgezeichnet (57-122). Verbandskirchen verfügen bei prinzipieller Freiwilligkeit und individuell gestaltbaren Formen der Mitgliedschaft für das Sozial- und Solidarverhalten innerhalb einer Gesellschaft zumindest partiell weiterhin über prägenden Einfluss. Zugleich befinden sie sich aber einerseits in einem zunehmenden Wettbewerb mit vagabundierenden Formen gänzlich individualisierter Religiosität und müssen sich andererseits gegenüber einer zunehmenden Ökonomisierung gesellschaftlicher Entscheidungen behaupten (mit Exkurs zu Religion und Wertewandel in Japan [123-165]). Das Buch geht auf eine ganze Reihe älterer Einzelstudien Fürstenbergs zurück (7, Verzeichnis 179-180), ohne dass für den Leser die genaue Zuordnung der Kapitel beziehungsweise Passagen nachvollziehbar wird. Das Risiko einer solchen Vorgehensweise besteht darin, dass sich allzu Zeitgebundenes der ursprünglichen Texte im neuen Buch als aktuelle Aussage einschleicht (hier etwa zur Rolle der Frauen in den evangelischen Kirchen [65] oder zur politischen Relevanz der "Idee eines christlichen Staates" [67]). Gleichwohl entsteht insgesamt eine vielschichtige, in ihrem Anliegen aktuelle und zugleich analytisch anregende Untersuchung der gesellschaftlichen Rolle von Religion und ihrer möglichen zukünftigen Entwicklungspfade, insbesondere in der Bundesrepublik (166-171). Fürstenbergs eigene Position wird klar: Sozialreligion braucht den "mündigen Weltchristen, der in säkularen Strukturen wirkt, aber nicht in ihnen aufgeht". Sie braucht sowohl die religiöse und soziale "Präsenz im Sinne beispielhafter Mitmenschlichkeit als auch gleichzeitig die kritische Distanz zur gesellschaftlichen Gegenwart", um ihr die Gegenwart stets überschreitendes "eschatologisches Element" zum Tragen bringen zu können (170-171).
Antonius Liedhegener (Li)
Dr., wiss. Ass., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.uni-jena.de/svw/powi/sys/liedhege.html).
Rubrizierung: 2.35 Empfohlene Zitierweise: Antonius Liedhegener, Rezension zu: Friedrich Fürstenberg: Die Zukunft der Sozialreligion Konstanz: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11431-die-zukunft-der-sozialreligion_13559, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13559 Rezension drucken