Außen- und Sicherheitspolitik

Die internationale Ordnung,
der Westen und die USA

Historisch gesehen versteht man unter „internationaler Ordnung“ Bemühungen der europäischen Großmächte, untereinander gewisse Spielregeln und Prinzipien zu vereinbaren, die den primären Zweck hatten, Kriege zwischen ihnen zu verhindern (Wiener Kongress 1814/15, Europäisches Konzert). Nach zwei Weltkriegen waren es die USA, unter deren wohlwollender Hegemonie in der Nachkriegszeit ein neuer Typus internationaler Ordnung geschaffen wurde. Diese internationale Ordnung wies über Europa hinaus und sollte das Wiederentstehen totalitärer Bewegungen und der daraus resultierenden Kriegsgefahr verhindern. Sie hatte mehrere grundlegende Elemente: (1) die Schaffung von Bedingungen und Institutionen, unter denen es zu einer Liberalisierung und zu einer Wiederbelebung des internationalen Handelsaustausches kommen konnte; (2) die Internationalisierung von Bemühungen um wirtschaftliche Entwicklung, Wiederaufbau und Demokratisierung; (3) die Einführung des Gewaltverbots und die Schaffung von internationalen Institutionen (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen), die das Gewaltverbot sichern sollten (System der kollektiven Sicherheit); sowie (4) die Umsetzung des Prinzips, dass das Völkerrecht Vorrang vor der Durchsetzung nationaler Ziele mit Gewalt habe.

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Angesichts des offenen Widerstands der damaligen Sowjetunion und des kommunistisch regierten Chinas gelang es seinerzeit nicht, dem universellen Anspruch gerecht zu werden und es bildete sich eine internationale Ordnung heraus, die vor allem die westliche Welt (Nord-Amerika, Westeuropa, Teile Asiens und des Pazifiks) umfasste. An die Stelle eines Systems der kollektiven Sicherheit der Vereinten Nationen traten nunmehr Sicherheitsgarantien der USA als zentrales Element der kollektiven Verteidigung zur Einhaltung des Gewaltverbots. Die westliche internationale Ordnung war ein großer Erfolg für alle daran beteiligten Staaten und wurde zunehmend auch durch die Staaten und gemeinsamen Institutionen Europas mitgestaltet.

Mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes kam es nicht nur zu einer Beruhigung der Sicherheitslage, sondern auch zu einer Ausweitung dieser Ordnung auf den asiatisch-pazifischen Raum und andere Regionen. Vor allem China und weitere asiatische Staaten profitierten von der Handelsliberalisierung, die den Aufstieg von Entwicklungsländern zu Schwellen- und sogar zu voll entwickelten Industrieländern ermöglichte. Auch Russland nutzte die Einbeziehung in die internationale Ordnung, um sich nach dem Kollaps der UdSSR wieder zu regenerieren. Vor allem weitete sich die internationale Zusammenarbeit bei der Regelung grenzüberschreitender und globaler Probleme (Global Governance) aus.

Mit der Globalisierung der internationalen Ordnung kam es jedoch nicht zu der erhofften Verregelung und Pazifizierung der internationalen Beziehungen. Im Gegenteil: Mit dem Aufstieg Chinas, unter Führung einer zunehmend totalitär operierenden kommunistischen Partei, zu einem Machtzentrum, das den USA unterdessen nahezu gleichwertig ist, wird das eigentliche Ziel der Ordnungsbildung – die Verhinderung großer Kriege, die durch machtvolle totalitäre Herrscher ausgelöst werden – in sein Gegenteil verkehrt. Und nicht nur das: China beginnt, seine eigene internationale Ordnung zu gestalten und fordert die Garantiemacht der derzeitigen internationalen Ordnung fundamental heraus.

In diesem Themenfeld werden die bestehende internationale Ordnung und ihre Geschichte, ihre Mitgliedstaaten, Regelungsinhalte und Institutionen (NATO, EU, G7, OECD, Weltbank, Währungsfonds etc.) sowie die verschiedenen Bemühungen Chinas und anderer, diese Ordnung infrage zu stellen, behandelt. Auch werden alternative Ordnungsmodelle erörtert und die machtpolitische Fundierung von internationaler Ordnung problematisiert.

Rezension / Michael Kolkmann / 08.03.2023

George Packer: Das Ende des amerikanischen Jahrhunderts

Hamburg, Rowohlt Verlag 2022
George Packer gelingt in seinem Buch das Kunststück, die Nachkriegsgeschichte der USA anhand der Biografie eines einzigen Mannes zu erzählen. Richard C. Holbrooke war US-amerikanischer Spitzendiplomat, Architekt des Dayton-Abkommens, das 1995 den Bosnienkrieg beendete, und wäre mehrmals fast Außenminister geworden. Anhand Holbrookes beruflicher Stationen, aber auch seiner charakterlichen Stär...
Rezension / Wahied Wahdat-Hagh / 01.02.2023

Klaus von Dohnanyi: Nationale Interessen. Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche

München, Siedler Verlag 2022
Klaus von Dohnanyi fordert die Ausrichtung deutscher und europäischer Politik nach Maßgabe nationaler Interessen. Hierzu entwickelt er Thesen zum Verhältnis zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten konzeptionell auf Grundlage von Identität, Wertegemeinschaft und demokratischer Legitimation: Basis bleibe der soziale, wettbewerbsfähige Nationalstaat. Auch kritisiert er die deu...
Rezension / Michael Kolkmann / 20.10.2022

Roland Benedikter: Joe Bidens Amerika. Einführung in ein gespaltenes Land

Berlin, Berliner Wissenschafts-Verlag 2021
Als „‚Scharnier-Präsident‘“ könnte Joe Biden möglicherweise im historischen Rückblick angesehen werden, der zwar keine historische Ära geprägt, aber die USA in einer für sie richtungsweisenden Übergangs- und Transformationsphase geleitet habe, schreibt Roland Benedikter. Ausgehend von einer Charakterisierung des aktuellen Präsidenten, kommt er auf die Strukturen und Akteure des La...
Rezension / Wahied Wahdat-Hagh / 13.09.2022

Josef Braml: Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können

München, C.H. Beck Verlag 2022
Josef Braml zeichnet ein kritisches Lagebild der transatlantischen Partnerschaft, deren Herausforderungen und Probleme durch den Angriffskrieg auf die Ukraine lediglich akzentuiert, aber nicht völlig verändert worden seien: Im Fokus stünden dabei einerseits die hegemonialen USA und Europa, dann die inneren und äußeren Dimensionen ihres (Nicht-)Handelns sowie die Verflechtungen mit Herausforde...
Rezension / Frank Kaltofen / 21.01.2022

Evan Osnos: Joe Biden. Ein Porträt

Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff und Stephan Gebauer. Berlin, Suhrkamp Verlag 2020
Evan Osnos begleitete Joe Bidens politische Karriere seit mehreren Jahren und so stütze sich dieses Porträt nicht nur auf eine Serie von Artikeln, die im Magazin „The New Yorker“ erschienen sind, sondern auch auf Interviews des Journalisten mit Biden, seinen Weggefährten und mit Akteuren aus der Washingtoner Politik, schreibt Rezensent Frank Kaltofen. Osnos betone, dass er keine Biografie d...
IParl: Blickpunkt / Michael Kolkmann / 22.06.2021

Von „America First“ zu „Problems First“? Die Biden-Administration – eine erste Bilanz nach 100 Tagen

Michael Kolkmann bilanziert die Arbeit des 46. US-Präsidenten Joe Biden in den ersten drei Monaten nach seiner Wahl. Dabei geht er zunächst auf die besonderen Bedingungen zum Zeitpunkt der Amtsübernahme ein, blickt auf zentrale personelle Weichenstellungen und stellt die politische Agenda Bidens dar. Insgesamt habe der Präsident in einer erheblichen Geschwindigkeit ein „profiliertes“ pol...
Rezension / Rainer Lisowski / 06.05.2021

Jörn Dosch / Ludmila Lutz-Auras (Hrsg.): Asiatischer Regionalismus im 21. Jahrhundert. Integration oder Stagnation?

Wiesbaden, Springer VS 2020
Der von Jörn Dosch und Ludmila Lutz-Auras edierte Sammelband befasst sich mit Staatenverbünden im asiatischen Raum. Damit steht nach Ansicht des Rezensenten Rainer Lisowski ein viel zu wenig beachteter Themenkomplex im Fokus, dessen besseres Verständnis auch den Blick auf die EU schärfen könnte. Bedauerlich findet er allerdings, dass die Kernbotschaft vieler Beiträge in einer Fülle von Deta...
Rezension / Michael Rohschürmann / 27.04.2021

Ulrich Tilgner: Krieg im Orient. Das Scheitern des Westens

Berlin, Rowohlt 2020
Der Nahost-Journalist Ulrich Tilgner bietet eine persönliche Einschätzung der westlichen, vor allem der US-amerikanischen Nahost-Politik der zurückliegenden Jahrzehnte. Ein zentraler Fehler westlicher Interventionen sei das Ignorieren kultureller Kontexte gewesen. Im Irak und in Afghanistan seien nahezu identische Fehler gemacht worden, weil geglaubt wurde, „mit militärischen Mitteln und dem...
Rezension / Vincent Wolff / 07.04.2021

Barack Obama: Ein verheißenes Land

Übersetzt von Sylvia Bieker, Harriet Fricke, Stephan Gebauer, Stephan Kleiner, Elke Link, Thorsten Schmidt und Henriette Zeltner-Shane. München Penguin-Verlag 2020
In diesem Teil seiner Autobiografie gewährt Barack Obama Einblicke in die ersten zwei Drittel seines Lebens. Er will den Leser*innen einen Eindruck davon vermitteln, „wie es sich anfühlt, Präsident der Vereinigten Staaten zu sein“. Sein Buch richtet sich auch an junge Menschen, die er motivieren will, an sich und Amerika zu glauben. Das Einräumen eigener Fehler und seine Fairness bei der B...
Rezension / Rainer Lisowski / 29.01.2021

Hendrik W. Ohnesorge: Soft Power. The Forces of Attraction in International Relations

Wiesbaden, Springer International Publishing 2020
Das Ziel Hendrik Ohnesorges ist es, den Begriff ‚soft power‘ transparenter zu machen, daher versucht er, ihn für die empirische Forschung zu operationalisieren, so Rezensent Rainer Lisowski. Ohnesorge untersucht, welche Ressourcen (Kultur, Werte, Persönlichkeiten und Politik) und Instrumente (Diplomatie des Landes und persönliche Diplomatie, beziehungsweise Netzwerke und Initiativen einzeln...

Die internationale Ordnung, der Westen und die USA


Veröffentlichungen


Analyse / Shivshankar Menon / 12.08.2022

In der Schwebe

IPG-Journal

Warum widerstrebende Interessen die internationale Ordnung nun gefährden.

Analyse / Stephan Bierling und Gerlinde Groitl / 25.05.2022

Die liberale Ordnung und ihre Feinde

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Der Westen modelliert die internationalen Beziehungen entlang (seiner) Werte, wie Freiheit, Souveränität und Egalität. Dies stört Autokratien.

Schwerpunktheft / Beiträge von Hanns W. Maull, Joachim Krause, Thomas Kleine-Brockhoff, Kristina Spohr / 2020

Entstehung und Verfall Internationaler Ordnung

SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen

Analysen zur Entstehung, Entwicklung und Zukunft der Internationalen Ordnung sowie zur Krise des Westens.



Forschungseinrichtungen und Think Tanks


Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
 (DGAP)

Forschung und Handlungsempfehlungen zu den Themen Internationale Ordnung, Sicherheit, Geoökonomie, Technologie, Migration und Klima.

European Council on Foreign Relations

Analysen aus Berlin, London, Madrid, Paris, Rom, Sofia und Warschau zu europäischer Außen- und Sicherheitspolitik.

Chatham House - The Royal Institute of International Affairs

Der Think Tank aus Großbritannien befasst sich mit einem breiten Spektrum an Fragen der internationalen Politik und Sicherheit, inklusive denen der Internationalen Ordnung.


Weiterführende Links


Dossier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP): Die USA und die transatlantischen Beziehungen

Zur Bedeutung der USA für multilaterale Organisationen, Verträge und Initiativen.


Dossiers des German Institute for Global and Area Studies (GIGA) 

Multilateralismus

Analysen zu den Institutionen der Internationalen Ordnung – sowie zu ihren Reformbedarfen und Krisen.

Welthandelsordnung

In diesem globalen Wirtschaftsraum koordinieren Handelsregime zwischenstaatliche Kooperationen, Konkurrenzen und Rivalitäten.

Staaten nutzen sie als außenpolitisches Instrument – ihre Umsetzung und Effekte beschäftigen die Forschung.

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