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Thomas Kunze

Nicolae Ceausescu. Eine Biographie

Berlin: Ch. Links Verlag 2000; 463 S.; geb., 48,- DM; ISBN 3-86153-211-5
Gut zehn Jahre nach der Hinrichtung Ceausescus liegt nunmehr die erste umfassende Biographie des rumänischen Diktators in deutscher Sprache vor. Der Verfasser, promovierter Historiker und seit 1995 Gastdozent in Constanta, skizziert im ersten Teil des Buches den Aufstieg des Bauernsohns und Jungkommunisten zum Vorsitzenden der Kommunistischen Partei und damit zum Ersten Mann in Rumänien. Gegenstand des ausführlicheren zweiten Teils sind die 24-jährige Herrschaft Nicolae Ceausescus und seiner Frau Elena, deren Sturz in einem knappen abschließenden Kapitel behandelt wird. Die Karriere Ceausescus vollzog sich nach Jahren im Gefängnis über die Zwischenstufen des Generalsekretärs der Parteijugend, hochrangige Positionen im Landwirtschaftsministerium und der Armee sowie Mitgliedschaften in Zentralkomitee und Politbüro. Kunze sieht den Machtinstinkt, die ideologische Anpassungsfähigkeit und die unbedingte Loyalität des jungen Ceausescu gegenüber seinem Ziehvater Gheorghiu-Dej als wesentliche Voraussetzungen dafür, dass er 1965 zu dessen Nachfolger werden konnte. Standen die ersten Herrschaftsjahre im Zeichen der Machtkonsolidierung und brachten eine deutliche Liberalisierung mit sich, so folgte ab Anfang/Mitte der 70er-Jahre eine als neo-stalinistisch charakterisierte Repressionspolitik. Zugleich entwickelte sich um Ceausescu, der immer stärker unter den Einfluss seiner Frau geriet, ein grotesker Personenkult, der einem nationalkommunistischen Absolutismus den Weg ebnete. Im Gegensatz zum fortschreitenden Realitätsverlust in der Innenpolitik agierte Ceausescu – daran lässt der Biograph keinen Zweifel – außenpolitisch ausgesprochen geschickt: 1968 etwa verurteilte er den Einmarsch in die Tschechoslowakei, und als erster Vertragsstaat des Warschauer Pakts nahm Rumänien 1967 diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik auf. Aufgrund seiner demonstrativen Distanzierung von Moskau, aber auch wegen seiner teils originell anmutenden Abrüstungsinitiativen erfreute sich Ceausescu lange Zeit großer Beliebtheit in den westlichen Staaten. Damit waren einerseits handfeste ökonomische Vorteile verbunden, andererseits bedeuteten die Erfolge auf diplomatischem Parkett innenpolitischen Prestigegewinn. Erst Mitte der 80er-Jahre verschärfte sich die westliche Kritik an der desaströsen Menschenrechtspolitik, und Rumänien geriet mehr oder mehr in die außenpolitische Isolation. Ceausescu reagierte darauf mit einem Autarkiekurs: Innerhalb weniger Jahre wurden sämtliche Auslandsschulden beglichen – um den Preis von Nahrungsmittel- und Energierationierungen und eines drastisch sinkenden Lebensstandards. Kunze bemüht sich ungeachtet zahlloser Kommentierungen um eine einigermaßen ausgewogene Bewertung der Politik Ceausescus. Zu dessen "Leistungen" rechnet er die Industrialisierung Rumäniens und insbesondere die Wohnungsbauprogramme. Eine Stärke seiner Biographie besteht darin, die Darstellung von Aufstieg und Herrschaft Ceausescus in den zeitgeschichtlichen Kontext einzubetten und aus ihm heraus verständlich zu machen. Allerdings macht der Biograph dabei aus der Not eine Tugend, denn die einschlägigen Dokumente der rumänischen KP und der Staatsführung sind weiterhin unter Verschluss. Vor diesem Hintergrund mag sich Kunzes Faible für vielfach unbedeutende Details wie den Fuhrpark des selbsternannten Conducator (Führers) ebenso erklären wie die gelegentlich spärlichen Ausführungen über parteiinterne Entwicklungen und Konflikte.
Michael Edinger (ME)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
Rubrizierung: 2.62 Empfohlene Zitierweise: Michael Edinger, Rezension zu: Thomas Kunze: Nicolae Ceausescu. Berlin: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11898-nicolae-ceausescu_14197, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14197 Rezension drucken