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Dani Rodrik

Grenzen der Globalisierung. Ökonomische Integration und soziale Desintegration

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2000 (Frankfurter Beiträge zu Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 2); 133 S.; kart., 49,80 DM; ISBN 3-593-36412-3
Die meisten Autoren, die über die Internationalisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten schreiben, lassen sich einem von zwei Lagern zuordnen. Auf der einen Seite stehen die Befürworter, die oft der ökonomischen Profession angehören. Sie begrüßen eine Ausdehnung der internationalen Arbeitsteilung zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Effizienz sowie zur Begrenzung nationaler Rent-seeking-Spielräume. Auf der anderen Seite befürchten Skeptiker, dass die Internationalisierung der Wirtschaft nur einer kleinen Minderheit (den Kapitaleignern und mobilen, hochqualifizierten Arbeitnehmern) in Industriestaaten nutze und folglich den gesellschaftlichen Zusammenhalt sprengen werde. Der Harvard-Ökonom Rodrik hat sich in seinem bereits 1997 in Englisch veröffentlichten Buch das ehrgeizige Ziel gesetzt, zwischen diesen beiden Polen zu vermitteln. Auf der einen Seite weist Rodrik unmissverständlich auf die Vorzüge internationaler Arbeitsteilung für die wirtschaftliche Effizienz und auf die Probleme traditioneller handelspolitischer Instrumente (Zölle, Kontingente) hin. Auf der anderen Seite widerspricht er vehement der ökonomischen Mehrheitsmeinung, dass die Internationalisierung der Wirtschaft nicht maßgeblich für die Erosion der relativen Einkommensposition der Geringqualifizierten verantwortlich sei. Dies ist nach Rodrik jedoch falsch. Nach seiner Argumentation müssen aufgrund der Globalisierung die lohnfremden Kosten stärker von den Arbeitnehmern getragen werden, etwaige Produktivitätsschocks zu größeren Fluktuationen auf den Arbeitsmärkten führen und die Verhandlungsmacht der Geringqualifizierten auf den Arbeitsmärkten schwinden. Alle drei Effekte bedeuten starke Nettolohneinbußen gerade für die untersten Lohngruppen. Dies ist nach Rodrik v. a. deshalb problematisch, weil die zunehmende Globalisierung gleichzeitig die Umverteilungsspielräume von Staaten einengt. Hier befindet sich die nationale Politik in einem Dilemma. Die Beobachtung, dass offene Volkswirtschaften tendenziell eine stärkere staatliche Intervention aufweisen als geschlossene Volkswirtschaften, ist nach Rodrik durch die Öffnung der Staaten zu begründen. Dadurch setzen sich die Staaten einem höheren externen Risiko aus, das sie durch sozialstaatliche Gegenmaßnahmen zu versichern suchen. Diese Risikoabsicherung wird nach Rodrik zunehmend möglich, und sie birgt mehr und mehr sozialen Brennstoff. Dieser Gefahr der sozialen Desintegration als Folge wirtschaftlicher Integration sollten Ökonomen mehr Aufmerksamkeit schenken, da für Rodrik die Revitalisierung eines umfassenden Protektionismus als die schlechteste, jedoch keineswegs unwahrscheinlichste aller möglichen Entwicklungen verhindert werden sollte. Rodrik sieht seine Aufgabe weniger in dem Aufzeigen von Handlungsempfehlungen als vielmehr in der pointierten Darstellung einer abwägenden Position. So bleiben dann auch seine "Leitlinien" für die Politik sehr vage und beinhalten wenig Neues. Da das englische Original bereits 1997 erschien, und - wie Rodrik selber einräumt - das Thema Globalisierung noch keineswegs vollständig verstanden ist, hätte der deutschen Ausgabe eine Ergänzung der Literatur um jüngere Arbeiten gut getan. Inhaltsübersicht: 2. Die Auswirkungen des internationalen Handels auf Arbeitsmarkt und Beschäftigungsverhältnisse; 3. Spannungen zwischen Außenhandel und nationalen sozialen Arrangements; 4. Internationaler Handel und die Nachfrage nach sozialer Sicherheit; 5.Implikationen.
Tobias Just (TJ)
Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.2 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Tobias Just, Rezension zu: Dani Rodrik: Grenzen der Globalisierung. Frankfurt a. M./New York: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11916-grenzen-der-globalisierung_14218, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14218 Rezension drucken