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Sönke Neitzel

Blut und Eisen. Deutschland und der Erste Weltkrieg

Zürich: Pendo Verlag 2003 (Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert); 272 S.; brosch., 9,90 €; ISBN 3-85842-448-X
Der Erste Weltkrieg sei der Ausgangspunkt einer Epoche gewesen, so der Autor, „die im Zweiten Weltkrieg ihren Höhepunkt erlebte und erst mit den Umbrüchen der Jahre 1989/90 endete" (219). Neitzel, der am Historischen Seminar der Universität Mainz lehrt, beschreibt deshalb nicht nur aus militärhistorischer Perspektive die Technisierung des Kampfes, die eine „Zäsur des Kriegswesens" (9) darstellte. Ihm geht es auch und vor allem um die Fragen, warum es zu diesem Krieg kam, welche Ziele die kriegsteilnehmenden Länder verfolgten und ob es Alternativen gab. Die Antworten sind deprimierend: Der Krieg wurde von Nationen geführt, die sich aus einem schwammigen Großmachtgefühl heraus und ohne klare Kriegsziele in eine als unausweichlich angesehene militärische Auseinandersetzung stürzten. Am wenigsten trifft dies auf die USA zu, deren Präsident Wilson eine ernst zu nehmende Friedensinitiative unternahm und moderat und überlegt auftrat. Am deutlichsten trifft dies auf das Deutsche Reich zu, das im Mittelpunkt der Analyse steht. Neitzel zeigt, wie das Risiko einer Eskalation bewusst eingegangen wurde und man trotzdem unvorbereitet den Krieg begann. Die Politik habe der selbstherrlichen Obersten Heeresleitung kaum etwas entgegenzusetzen gehabt. Vor dem Hintergrund der schlechten wirtschaftlichen Lage sowie der militärischen Misserfolge wird sehr deutlich, dass das Reich den Krieg nicht gewinnen konnte. Die Dolchstoßlegende war reine Ideologie. Die Westmächte trafen sich bereits im Juni 1916 in Paris zu einer Wirtschaftskonferenz. Großbritannien und Frankreich planten „de[n] Krieg nach dem Krieg" (148) und strebten bewusst eine Zerstörung der europäischen Wirtschaftsordnung an. Diese Beschlüsse fanden ihren Niederschlag im Vertrag von Versailles und beeinflussten damit maßgeblich die Nachkriegszeit. Angesichts der gewaltigen Opfer könne es nur verwundern, so Neitzel, dass diese Niederlage die gesellschaftlichen Eliten nicht zum Umdenken veranlasst habe. „Die Niederlage nahm man nicht als endgültig hin. Es ging vielmehr darum, es das nächste Mal ‚besser' zu machen." (219)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.311 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Sönke Neitzel: Blut und Eisen. Zürich: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/19693-blut-und-eisen_22924, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 22924 Rezension drucken