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Gerhard Hauck

Die Gesellschaftstheorie und ihr Anderes. Wider den Eurozentrismus der Sozialwissenschaften

Münster: Westfälisches Dampfboot 2003; 209 S.; 20,50 €; ISBN 3-89691-551-7
Der Autor entwirft eine ebenso weit gespannte wie radikale Kritik soziologischer Klassiker wie zeitgenössischer Theorieansätze, denen er einen - ausdrücklichen oder nur versteckten - Eurozentrismus vorhält. Methodologisch beruht der Eurozentrismus letztlich auf naturalistischen Prämissen, die - wie Alfred Schütz schon früh kritisierte - soziale Phänomene als unbezweifelbar gegeben betrachten. Von diesem Einwand ausgehend formuliert Hauck eine soziologische Positivismuskritik klassischer Gesellschaftstheorien und eines auf Annahmen der Entscheidungstheorie beruhenden Methodenkanons empirischer Sozialforschung. Ähnlich wie der Ethnozentrismus behauptet der Eurozentrismus eine Überlegenheit der je eigenen Lebensformen; vom Ethnozentrismus unterscheidet er sich darin, „dass er zum einen die Überlegenheit der eigenen Lebensform inhaltlich begründet sieht in einer - instrumentalistisch verstandenen - wissenschaftlichen Vernunft und dass er zum anderen sowohl den Willen als auch die Machtmittel entwickelt hat, die ganze Welt nicht nur zu unterwerfen, sondern nach seinem Bilde zu formen" (14). Diese Haltung sucht der Autor dann an (prominenten) Beispielen der Ethnologie, Modernisierungstheorie und Evolutionstheorie zu belegen. Als Orientierungspunkt nicht-naturalistischer Sozialwissenschaft dient ihm Habermas (nach der kommunikationstheoretischen Wende) ebenso wie die ältere Kritische Theorie. Das Buch beruht auf der Überarbeitung von Abhandlungen, die bereits andernorts erschienen sind. Aus dem Inhalt: 1. Einführung: Die Fallstricke des Eurozentrismus 2. Der Positivismus in der Soziologie: Comte - Mill - Pareto - Durkheim 2.1 Was ist der Positivismus? 2.2 Auguste Comte: Naturgesetze der gesellschaftlichen Entwicklung regieren das menschliche Zusammenleben 2.3 John Stuart Mill: Naturgesetze des individuellen Denkens regieren das menschliche Zusammenleben 2.4 Vilfredo Pareto: Irrationale und undurchschaubare individuelle Triebe regieren das menschliche Zusammenleben 2.5 Emile Durkheim: „Die Gesellschaft" regiert das menschliche Zusammenleben 2.6 Zusammenfassung: aller soziologische Positivismus ist Naturalismus 3. Vom „faulen Neger" zum „Egoismus der Gene" - Über Kontinuität und Wandel rassistischer Denkfiguren in der Ethnologie 3.2 Theoretische Vorüberlegungen 3.3 Der „faule Neger" - kolonialer Rassismus in der Hochphase des Imperialismus 3.4 „Entwicklung" als Schlüsselbegriff der spät- und nachkolonialen Phase 3.5 Der „Egoismus der Gene" - soziobiologische Ansätze in der postfordistischen Phase 4. Aristokratische Gesellschaftstheorie - Wilhelm Mühlmann als Soziologe 4.2 „Rasse" 4.3 „Ungleichheit" 4.4 „Externer Klassenkampf" und „externes Proletariat" 4.5 Der Sonderfall Gandhi 4.6 Religions- und Wissenssoziologie 5. Modernisierungstheorie I: „Traditionelle" und „moderne Gesellschaft" 5.1 Die Modernisierungstheorie der 1960er Jahre 5.2 Die Rückkehr zur „internen Verursachung" in den 1980er Jahren 5.3 Die „universelle Gültigkeit" des „okzidentalen Rationalismus" 5.4 Exkurs zur „reflexiven Modernisierung" 6. Modernisierungstheorie II: Der ‚Sonderweg des Westens' und die ‚orientalische Despotie' 6.1 Einleitung: Die Modernisierungstheorie der 90er Jahre 6.2 Fallbeispiel Indien 6.3 Fallbeispiel China 6.4 Fallbeispiel Mali 7. „Universelle Vernunft" oder „Inkommensurabilität der Sprachspiele" - Popper, Habermas, Foucault, Lyotard 7.2 Das Gegenbild 7.3 Essentialistisches Kulturverständnis 7.4 Die falsche Alternative 8. Der Naturalismus der empirischen Sozialforschung - Hartmut Essers Rational-Choice-Kritik der qualitativen Verfahren 9. Anti-evolutionistischer Evolutionismus - Niklas Luhmann als Entwicklungstheoretiker 9.1 Erkenntnistheorie 9.2 Gesellschaftsbegriff 9.3 Autopoiesis 9.4 Evolution
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.2 | 5.46 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Gerhard Hauck: Die Gesellschaftstheorie und ihr Anderes. Münster: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/19706-die-gesellschaftstheorie-und-ihr-anderes_22938, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 22938 Rezension drucken