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Walter Leisner

Das letzte Wort. Der Richter späte Gewalt

Berlin: Duncker & Humblot 2003; 289 S.; 58,- €; ISBN 3-428-11236-9
Der Autor lehrte vormals als Staatsrechtler an der Universität Erlangen-Nürnberg. Sein Buch ist eine staatstheoretische Arbeit über die Judikative, die im systematischen Zusammenhang mit seinen letzten Monografien über die Legislative und die Exekutive steht („Krise des Gesetzes. Die Auflösung des Normenstaates", siehe ZPol 3/02: 1.182; „Die undefinierbare Verwaltung. Zerfall der vollziehenden Gewalt", siehe ZPol 3/03: 1.523). In der Definitionsmacht der Judikativen gegenüber den anderen Staatsfunktionen sieht Leisner eine Art letzte Bastion des souveränen Staates nach den von ihm selbst früher postulierten, vermeintlichen Krisenerscheinungen von Legislative und Exekutive: „[...] solange [die Judikative] noch rechtlich wirksam ist, [...] bestehen Definitions- und Wirkungschancen auch für die anderen Gewalten" (13 f.). Die richterliche Tätigkeit wird von ihm nicht funktional, sondern über die Entscheidungsmacht des „letzten Wortes" dezisionistisch begriffen. Dabei wagt Leisner - unter vollständigem Verzicht auf ein Literaturverzeichnis und einen Fußnotenapparat - kühne Behauptungen, die belegen, dass die einschlägige politikwissenschaftliche Literatur nicht zur Kenntnis genommen wurde: „Carl Schmitt hat gelehrt - und darin ist er bis heute unwidersprochen geblieben - souverän sei, wer über den Ausnahmezustand entscheide" (66). Aus dem „etatistischen" Blickwinkel, der für die konservativ-liberal geprägte, juristische „Staatslehre" typisch ist, ergibt sich so eine Verklärung richterlicher Tätigkeit: „Gerichtsbarkeit bleibt stets ‚zeitlos' und damit machtfern [...], darin den zeitlosen Staat verkörpernd" (286). In der Arbeit stößt man bisweilen auf höchst problematische Begriffe, deren arglose Verwendung sich einem so erfahrenen akademischen Lehrer des Rechts (!) verbietet, so z. B.: „das vielberufene gesunde, rechtlich unverbildete Volksempfinden" und „gesunde[s] außerrechtliche[s] Volksempfinden" (280). Aus dem Inhalt: A. Rechtsprechende Gewalt - Judikative als Verfassungs-Pouvoir B. Funktionale Kriterien der rechtsprechenden Gewalt - das „Wesen des Richtens" C. Die organisatorische Einheit der Dritten Gewalt D. Gerichtsbarkeit als Machtausübung - Richter und Macht E. Die späte Macht der Judikative F. Judikative als Gewalt in der gewaltententeilenden Demokratie?
Robert Chr. van Ooyen (RVO)
Dr., ORR, Hochschullehrer für Staats- und Gesellschaftswissenschaften, Fachhochschule des Bundes Lübeck; Lehrbeauftragter am OSI der FU Berlin sowie am Masterstudiengang "Politik und Verfassung" der TU Dresden.
Rubrizierung: 5.44 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Walter Leisner: Das letzte Wort. Berlin: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/20376-das-letzte-wort_23744, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 23744 Rezension drucken