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Eckhard Jesse (Hrsg.)

Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Eine Bilanz der internationalen Forschung

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 1996; 592 S.; brosch., 36,- DM; ISBN 3-7890-4408-3
In der Totalitarismus-Forschung waren Erkenntnis und Interesse oft verwoben, wissenschaftliche Objektivität und ideologische Voreingenommenheit häufig im Widerstreit, weil der Vergleich roter und brauner Totalitarismen leicht zu einer Gleichsetzung führen konnte, die von konservativer Seite zuweilen begrüßt, von Seiten der Linken vehement abgelehnt wurde. Erst nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen scheint die Chance für einen "antitotalitären Konsens" (11) größer zu werden. Angesichts der veränderten Ausgangslage hält es Jesse für geboten, in Anknüpfung an den 1968 erschienenen Band "Wege der Totalitarismusforschung" von Seidel und Jenkner (Hrsg.) eine Bilanz der Forschung zu ziehen. In Beiträgen von Befürwortern und Kritikern des Totalitarismusansatzes wird - systematisch, nicht chronologisch - eine Debatte nachgezeichnet, deren "politische Dimension" (27) stets erkennbar bleibt. Zusammen mit einer gut handhabbaren Bibliographie liefert der Band einen perspektivenreichen Überblick über einen politikwissenschaftlichen Gegenstandsbereich, an dem nicht nur die Ergebnisse der Forschung interessant sind, sondern auch der Umgang der Forscher mit ihrem Gegenstand. Inhalt: Eckhard Jesse: Die Totalitarismusforschung im Streit der Meinungen (9-39). 1. Zur Begriffsgeschichte von Totalitarismus und zur Entwicklung der Konzeption: Karl-Heinz Ruffmann: Autokratie, Absolutismus, Totalitarismus. Bemerkungen zu drei historischen Schlüsselbegriffen (43-52); Arthur Feiler: Der totalitäre Staat (53-69); Klaus Hildebrand: Stufen der Totalitarismus-Forschung (70-94); Jens Petersen: Die Entstehung des Totalitarismusbegriffs in Italien (95-117); Hans Maier: "Totalitarismus" und "Politische Religionen". Konzepte des Diktaturvergleichs (118-134). 2. Nationalsozialismus und Stalinismus als historische Ausprägungen: Karl Dietrich Bracher: Das 20. Jahrhundert als Zeitalter der ideologischen Auseinandersetzungen zwischen demokratischen und totalitären Systemen (137-151); Manfred Funke: Braune und rote Diktaturen - Zwei Seiten einer Medaille?: Historikerstreit und Totalitarismustheorie (152-159); Imanuel Geiss: Die Totalitarismen unseres Jahrhunderts. Kommunismus und Nationalsozialismus im historisch-politischen Vergleich (160-175); Guy Hermet: Vergangenheit und Gegenwart. Vom faschistischen und nazistischen Regime zum kommunistischen System (176-199); Ljudmila Andreevna Mercalowa: Stalinismus und Hitlerismus - Versuch einer vergleichenden Analyse (200-212); Ian Kershaw: Nationalsozialistische und stalinistische Herrschaft. Möglichkeiten und Grenzen des Vergleichs (213-222). 3. Ansätze innerhalb der Totalitarismusforschung: Carl Joachim Friedrich / Zbigniew Brzezinski: Die allgemeinen Merkmale der totalitären Diktatur (225-236); Karl Graf Ballestrem: Aporien der Totalitarismus-Theorie (237-251); David Bosshart: Die französische Totalitarismusdiskussion (252-260). 4. Kontroversen und Kritik: Zbigniew Brzezinski: Dysfunktionaler Totalitarismus (263-276); Michael Curtis: Totalitarismus - eine monolithische Einheit? (277-285); Peter Graf Kielmansegg: Krise der Totalitarismustheorie? (286-304). 5. Totalitarismus als ein Phänomen des 20. Jahrhunderts?: Uwe Backes: Totalitarismus - Ein Phänomen des 20. Jahrhunderts? (307-319); Kamaludin Gadshijew: Totalitarismus als Phänomen des 20. Jahrhunderts (320-339). 6. Zusammenhang zwischen den Totalitarismen?: Herbert Jäger: Über die Vergleichbarkeit staatlicher Großverbrechen. Der Historikerstreit aus kriminologischer Sicht (343-356); Ernst Nolte: Weltbürgerkrieg 1917-1989? (357-369); Leonid Luks: Bolschewismus, Faschismus, Nationalsozialismus - verwandte Gegner? (370-386). 7. Marxismus/Leninismus und Totalitarismustheorie: Jacques Rupnik: Der Totalitarismus aus der Sicht des Ostens (389-415); Ernst Gottschling: Die Verkehrung der Demokratie- und Diktatur-Problematik (416-423); Eckhard Jesse: Die "Totalitarismus-Doktrin" aus DDR-Sicht (424-449). 8. Renaissance der Totalitarismuskonzeption nach dem Ende des "real existierenden Sozialismus"?: Wolfgang Kraushaar: Sich aufs Eis wagen. Plädoyer für eine Auseinandersetzung mit der Totalitarismustheorie (453-470); Hans Mommsen: Nationalsozialismus und Stalinismus. Diktaturen im Vergleich (471-481). 9. Totalitarismus und moderne Gesellschaft: Juan J. Linz: Typen politischer Regime und die Achtung der Menschenrechte: Historische und länderübergreifende Perspektiven (485-537); Giovanni Sartori: Totalitarismus, Modellmanie und Lernen aus Irrtümern (538-555).
Barbara Zehnpfennnig (BZ)
Prof. Dr., Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Passau.
Rubrizierung: 2.25 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Barbara Zehnpfennnig, Rezension zu: Eckhard Jesse (Hrsg.): Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Baden-Baden: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/2332-totalitarismus-im-20-jahrhundert_2857, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 2857 Rezension drucken