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Klaus Gensicke

Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten. Eine politische Biographie Amin el-Husseinis. Mit einem Vorwort von Matthias Küntzel

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2007 (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart 11); 247 S.; geb., 49,90 €; ISBN 978-3-534-20808-1
Die Figur des Amin el-Husseini reizt zur Geschichtsbetrachtung im virtuellen Raum: Wäre seine politische Bedeutung Ende der dreißiger Jahre so gewachsen, hätte er nicht einen interessanten Baustein in der Judenpolitik der Nationalsozialisten gelegt? Und wäre er ebenfalls ohne großen Schaden 1945 nach Palästina zurückgekehrt, wenn er im Kalkül der britischen Mandatsmacht keine Rolle gespielt hätte? Ohne diese beiden Faktoren wäre der Mufti in der Tat bedeutungslos gewesen: Wen hätte der lokale Kleinkrieg zwischen den palästinensischen Familien interessiert, wenn el-Husseini sich nicht im Zusammenhang mit der Palästina-Politik der Briten zu einer Persona non grata entwickelt hätte, der sich Berlin als Exil geradezu anbot? Die Nationalsozialisten hatten keine konstante Strategie für den Nahen Osten, allerdings war ihr politisches Bestreben darauf ausgerichtet, Großbritannien auch in dieser Region zu treffen – und wenn es möglich war, dies über die Person des Muftis und seine regionalen Beziehungen zu bewerkstelligen. Folgerichtig entsandte ihn Ribbentropp beispielsweise in den Iran, gleichsam im diplomatischen Auftrag des Deutschen Reiches. El-Husseini war jedoch keineswegs nur politischer Spielball: Er wollte zurück nach Palästina, wollte seine innerarabischen Gegner besiegen und schließlich auch das „Juden-Problem“ lösen. Nach 1945 blieb el-Husseini ein Unruhefaktor, der allerdings mit der Gründung des Staates Israel seine Bedeutung verlor. Arafat berief sich gelegentlich auf seine entfernte Verwandtschaft zu ihm, um seine Position innerhalb des palästinensischen Lagers zu untermauern. Tatsächlich war der ehemalige Mufti von Jerusalem bis zu seinem Tod im libanesischen Exil 1974 kein politischer Faktor mehr, auf den sich bauen ließ. Gensickes Darstellung ist insofern lohnend, als aufzeigt, wie die Entstehungslinien von politischen Argumenten im Nahen Osten verlaufen, auch wenn die Urheber, wie in diesem Fall, nicht mehr mit ihnen verknüpft werden. Es handelt sich bei diesem Buch um die vollständig überarbeitete Fassung einer erstmals 1988 im Peter Lang Verlag erschienenen Dissertation.
Axel Gablik (AG)
Dr., Historiker.
Rubrizierung: 2.1 | 2.63 | 2.25 | 2.312 Empfohlene Zitierweise: Axel Gablik, Rezension zu: Klaus Gensicke: Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten. Darmstadt: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28237-der-mufti-von-jerusalem-und-die-nationalsozialisten_33215, veröffentlicht am 27.03.2008. Buch-Nr.: 33215 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken