ÜberKreuzungen. Fremdheit, Ungleichheit, Differenz
Überkreuzungen verschiedener sozialer Identitäts- und Differenzkategorien sowie deren politische Wahrnehmung lassen sich bis in das 19. Jahrhundert, in die Zeit der Frauen- und Bürgerrechtsbewegung zurückverfolgen. Erst in den 80er-Jahren wurde dafür jedoch der wissenschaftliche Terminus der Intersektionalität geprägt. Die in dieser Zeit im Zusammenhang mit der internationalen Frauenbewegung entstandene Diskussion um Interdependenzen sozialer Kategorien wie Geschlecht oder Ethnizität stellte einen wichtigen Meilenstein in der Frauen- und Geschlechterforschung dar, die sich lange Zeit dem Vorwurf eines weißen Mittelstandsfeminismus ausgesetzt sah, der andere Ungleichheitsrelationen innerhalb der Genus-Gruppe Frau ausblendete. In der aktuellen Debatte, so kritisieren die Herausgeberinnen, habe aber die ursprüngliche Trias aus Geschlecht, Rasse und Klasse durch additive Reihung und Ausdifferenzierung anderer Kategorien zu einem immer stärkeren Bedeutungsverlust geführt. Dabei – so die von den Herausgeberinnen vertretene und den Band insgesamt kontrovers durchziehende These – bestimmen Geschlecht, Rasse und Klasse die Grundstrukturen einer jeden modernen Gesellschaft, da sie auf bestimmte gesellschaftsregulierende Dominanz- und Unterdrückungsmechanismen verweisen. Demgegenüber argumentieren u. a. Weinbach und Degele für einen konzeptionell offeneren Zugang „beim Zugriff auf die soziale Wirklichkeit“ (174), der sowohl neue Kategorien (wie z. B. Körper) einbezieht bzw. deren Konstruktion stetig hinterfragt. Um gleichwohl einer Beliebigkeit der Kategorien vorzubeugen und den Transfer an reale, auf gesellschaftlichen Anschluss bedachte Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsarbeit zu ermöglichen, müsse eine „empirisch nutzbare Präzisierung von Herrschaftsverhältnissen“ (206) vorgenommen werden. Wünschenswert wäre überdies eine stärkere Orientierung an und Fruchtbarmachung von theoretisch reflexiven Überkreuzungsdiskursen für die konkrete Ausgestaltung aktueller Diversity-(Management-)Politiken.