Skip to main content
Simone Veil

Und dennoch leben. Die Autobiographie der großen Europäerin. Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer-Semlinger

Berlin: Aufbau-Verlag 2009; 316 S.; geb., 22,95 €; ISBN 978-3-351-02677-6
Betrachtet man Veils Lebenslauf, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass sie eine leidenschaftliche Politikerin sein muss: 1974 übernimmt sie als erste Frau in Frankreich ein Ministeramt und setzt 1975 mit dem „Loi Veil“ die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs durch. 1979 kandidiert sie für die bürgerlich-liberale Partei UDF für das Europäische Parlament und wird dessen Präsidentin, wieder als erste Frau auf dieser Position. Später wird sie noch einmal Ministerin und von 1998 bis 2007 Mitglied des französischen Verfassungsgerichts. Die studierte Juristin und Politikwissenschaftlerin hat immer soziale Anliegen in den Mittelpunkt ihrer politischen Arbeit gestellt, bekennt aber trotz ihrer beeindruckenden Karriere, erst mit dem Alter eine immer stärkere Verfechterin der Frauenrechte geworden zu sein. Ihre eigene Erfahrung sei eine andere gewesen: „Wenn sich einer Frau eine Chance bietet, ist dies allzu häufig auf bloßen Zufall zurückzuführen“ (288). Ihre Leidenschaft für die Politik bleibt in ihrer Autobiografie allerdings eher hinter wohlgesetzten Worten verborgen. Selbst die politischen Gegner und die einstigen Freunde, die zur Enttäuschung wurden, werden kaum mit einem bösen Wort bedacht. Man muss schon genau lesen und andere Darstellungen zu Rate ziehen um ahnen zu können, wie sehr einige Ereignisse Veil bewegt haben müssen. Vielleicht liegt diese Distanziertheit, die das Buch streckenweise doch zu einer eher trockenen Lektüre werden lässt, in Veils tragischer Biografie begründet – vielleicht unterscheidet sie einfach nur klar zwischen dem, was wirklich wichtig ist und was nicht. Aus einer jüdischen Familie stammend, war sie als Jugendliche mit ihrer Mutter und einer Schwester nach Auschwitz deportiert worden. Ihre Mutter starb in Bergen-Belsen, ihr Vater und ihr Bruder wurden in Litauen ermordet. Nur sie und ihre beiden Schwestern überlebten den Holocaust. Jahrzehntelang hat Veil unter diesen Verlusten gelitten und darunter, dass sich die Franzosen erst gar nicht und dann sehr spät für das Leid ihrer jüdischen Mitbürger interessiert haben.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.1 | 2.61 | 3.1 | 2.22 | 2.23 | 2.263 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Simone Veil: Und dennoch leben. Berlin: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30579-und-dennoch-leben_36311, veröffentlicht am 03.06.2009. Buch-Nr.: 36311 Rezension drucken