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Markus Weingardt (Hrsg.)

Vertrauen in der Krise. Zugänge verschiedener Wissenschaften

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011; 275 S.; 29,- €; ISBN 978-3-8329-6375-0
In spätmodernen Wissensgesellschaften gilt Vertrauen als unerlässlicher „Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität“ (Luhmann). Vertrauenswürdige „Expertensysteme“ (Giddens) kümmern sich um Dinge, die wir noch nicht einmal nachvollziehen können. Nicht nur unseren Eltern und Freunden, sondern auch dem Koch unseres Lieblingsrestaurants, Statikern und anonymen Wartungsfirmen vertrauen wir in der Regel blindlings. Andere Berufsgruppen und Institutionen hingegen, Aktienmärkte, Atomwissenschaftler, Ökonomen und Politiker beispielsweise, stecken in der Krise und leiden unter Vertrauensverlust. Dabei wäre es gerade in der Krise wichtig Vertrauen zu haben, kritisieren diejenigen, denen das Vertrauen entzogen wurde. Doch warum vertrauen wir überhaupt Menschen und Institutionen, die wir selbst weder kennen noch durchdringen, deren schiere Existenz aber enorme Risiken mit sich bringt? Lässt sich einmal verspieltes Vertrauen wiederherstellen? Mit diesen und mit anderen Fragen zum Thema Vertrauen beschäftigen sich die Autoren des Bandes, der aus der wissenschaftlichen Kollegiumsarbeit der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e. V. hervorging. Die Besonderheit des Bandes besteht in seiner außergewöhnlichen Interdisziplinarität. Er versammelt Beiträge aus der Theologie, Philosophie, Ökonomik, Rechts-, Politik- und Literaturwissenschaften, die aufeinander Bezug nehmen und so Disziplinengrenzen überwinden, und darf sich damit zu Recht zuschreiben, der jungen interdisziplinären Vertrauensforschung „neue, weiterführende Impulse“ (15) verliehen zu haben. Den Auftakt macht Gerald Hartung mit einem Aufsatz, dem hier aufgrund seiner Anschlussfähigkeit für die politische Theorie und Ideengeschichte besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Anhand kurzer Analysen klassischer Texte von Marx, Nietzsche, Plessner und Mannheim macht Hartung deutlich, dass Misstrauen „eine Signatur der Moderne“ (43) ist. Im Rückgriff auf Schütz, Berger/Luckmann, Luhmann und insbesondere auf Giddens zeigt der Autor, dass der für moderne Gesellschaften charakteristische Verlust von Vertrautheit nur durch intersubjektiv vermitteltes Vertrauen aufgefangen werden kann. Hartung plädiert dafür, dass dieses aktive Vertrauen eine unverzichtbare Ressource für unsere Zukunftsfähigkeit ist.
Marius Hildebrand (HIL)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 | 2.23 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Marius Hildebrand, Rezension zu: Markus Weingardt (Hrsg.): Vertrauen in der Krise. Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34120-vertrauen-in-der-krise_40924, veröffentlicht am 06.10.2011. Buch-Nr.: 40924 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken