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Jörg Gertel / Ingo Breuer (Hrsg.)

Alltagsmobilitäten. Aufbruch marokkanischer Lebenswelten

Bielefeld: transcript Verlag 2012 (Kultur und soziale Praxis); 448 S.; 33,80 €; ISBN 978-3-89942-928-2
Die vielschichtigen gesellschaftlichen Transformationsprozesse der vergangenen 30 Jahre in Marokko werden in diesem Band thematisiert. Im Mittelpunkt steht die Mobilität. Sie bezeichnet dabei erstens die räumliche Bewegung von Personen und Waren; zweitens den Auf- und Abstieg zwischen gesellschaftlichen Schichten; drittens die Veränderung von individuellen und kollektiven Identitätskonstruktionen. In allen Dimensionen erscheint Marokko als enorm dynamische Gesellschaft, mit allen begleitenden Vor- und Nachteilen. Der Sammelband ist in drei große Abschnitte gegliedert. Zunächst steht der Wandel der traditionellen, auf Subsistenz orientierten Landwirtschaft hin zu einer vom globalen Handel abhängigen und in weiten Teilen von internationalen Akteuren kontrollierten Exportwirtschaft im Mittelpunkt. Mehrere Autoren beschäftigen sich mit einer Fallstudie der Region Asni in der Nähe von Marrakesch. Sie zeigen die traditionellen Alltagspraktiken der von Weidewirtschaft geprägten Gebirgsregion auf. Ein Veränderungsdruck ergibt sich hier vor allem aus einem technologischen Wandel, der Umstellung auf die Exportproduktion und damit einhergehend aus einer zunehmenden Kommodifizierung der landwirtschaftlichen Arbeit. Die Nähe zur Metropole Marrakesch bringt zusätzlich noch mit dem Tourismus einen weiteren Faktor ins Spiel: Jörg Gertel zeigt auf, wie sich aus dem Kontakt zwischen den traditionellen Bewohnern und westlichen Touristen neue Optionen, aber auch neue Verständigungsgrenzen ergeben. Im zweiten Hauptteil konzentrieren sich die Autoren ausschließlich auf den globalen Handel als Rahmenbedingung des gesellschaftlichen Wandels. Najib Akesbi, Christian Berndt, Marc Boeckler und Steffen Wippel zeigen an unterschiedlichen Beispielen, wie die marokkanische Mobilität außerhalb Marokkos produziert wird. Schließlich werden in weiteren Beiträgen die Konsequenzen der Entgrenzung in ländlichen Räumen, in Städten sowie in der Diaspora behandelt. Wenke Krestin schildert die zum Teil unmenschlichen Lebensbedingungen junger Hausangestellter, die von der wirtschaftlichen Not auf dem Land in die Städte getrieben werden. Für Ines Braune bietet das Internet für Jugendliche in der stark traditionell geprägten Stadt Fes eine Möglichkeit, die eigenen Lebenschancen durch Bildung, internationale Kontakte und virtuelle Emigration zu verbessern. Die ambivalente Rolle des globalen Tourismus bei der Bewahrung der Stadtstruktur bei gleichzeitiger Zerstörung traditioneller Lebenswelten in Marrakesch zeigen Anton Escher und Sandra Petermann.
Markus Lang (ML)
Dr., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.67 | 2.2 | 2.22 | 2.262 | 4.22 Empfohlene Zitierweise: Markus Lang, Rezension zu: Jörg Gertel / Ingo Breuer (Hrsg.): Alltagsmobilitäten. Bielefeld: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34780-alltagsmobilitaeten_41809, veröffentlicht am 05.04.2012. Buch-Nr.: 41809 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken