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Dagmar Hilpert (Hrsg.)

Wohlfahrtsstaat der Mittelschichten? Sozialpolitik und gesellschaftlicher Wandel in der Bundesrepublik Deutschland (1949-1975)

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 208); 391 S.; geb., 59,99 €; ISBN 978-3-525-37027-8
Diss. FU Berlin; Begutachtung: P. Nolte, D. Gosewinkel. – Die Autorin untersucht die Wechselwirkungen zwischen der deutschen Sozialpolitik und der Mittelschicht. Sie betrachtet dazu im ersten Teil drei zentrale Politikfelder im Zeitraum zwischen den 1950er‑Jahren und 1975: die Rentensicherung, die Familien‑ und die Wohnungspolitik. Zu den vielfältigen Quellen zählen neben Protokollen von Bundestagssitzungen auch Dokumente aus Ministerien und Parteien, Stellungnahmen von Verbänden, die amtliche Statistik und Befunde aus der Meinungsforschung sowie wissenschaftliche Gutachten. Teilweise wird zur internationalen Einordnung auch die Situation in anderen europäischen Ländern dargestellt. Dabei gelingt die Verdichtung des umfangreichen Materials zu einer Analyse der Geschichte des Wohlfahrtsstaates. Die Antwort auf die Frage nach der Orientierung an der Mittelschicht fällt im Detail dann durchaus differenziert aus. Bei der Rente offenbart sich eine klare entsprechende Tendenz, die den Aufstiegswillen insbesondere der Arbeiter unterstützt, sich jedoch der Frauen und anderer Bedürftiger weniger stark annimmt. In der Familienpolitik wirkten vornehmlich die indirekten Leistungen der Steuerersparnis als starke Unterstützung der mittleren und höheren Einkommensschichten. Erst Mitte der 1970er‑Jahre wurde dieser Benachteiligung von Menschen mit niedrigen Einkommen entgegengewirkt. Bei der Wohnungspolitik schließlich trugen zahlreiche Faktoren zur vorrangigen Unterstützung der Mittelschichten bei. Von der Regierung in den 1950er‑Jahren gefördertes Leitbild war das Eigenheim. In einem zweiten Teil untersucht Hilpert den Sozialstaat als Arbeitgeber und damit als berufliches Standbein vieler Angehöriger der Mittelschicht im Zeitraum von den 1920er‑ bis zu den 1970er‑Jahren. Die Professionalisierung des Wohlfahrtsstaates bot neben Aufstiegsmöglichkeiten auch die Basis für das Verbleiben in der – durchaus vielgestaltigen – Mittelschicht. Insofern wirkte sich die Sozialpolitik doppelt auf die Existenz und die Absicherung mittlerer Gesellschaftsschichten aus – dies war auch ein Beitrag zum Übergang in die Dienstleistungsgesellschaft.
Daniel Gerstenhauer (DG)
M. A., Sozialwissenschaftler, Doktorand, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.313 | 2.342 Empfohlene Zitierweise: Daniel Gerstenhauer, Rezension zu: Dagmar Hilpert (Hrsg.): Wohlfahrtsstaat der Mittelschichten? Göttingen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35664-wohlfahrtsstaat-der-mittelschichten_43057, veröffentlicht am 31.01.2013. Buch-Nr.: 43057 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken