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Winfried Böttcher (Hrsg.)

Klassiker des europäischen Denkens. Friedens- und Europavorstellungen aus 700 Jahren europäischer Kulturgeschichte

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014; 781 S.; geb., 98,- €; ISBN 978-3-8329-7651-4
Die Vergabe des Friedensnobelpreises an die Europäische Union im Jahr 2012 machte deutlich, dass das in der Weltgeschichte einzigartige „europäische Projekt“ ein zentraler Bestandteil der globalen Friedensarchitektur darstellt. Dass Friede – auch in Europa – stets und immer wieder neu zu stiften ist, macht im Geleitwort des Bandes der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz deutlich: „[W]eder der europäische Integrationsprozess noch der durch ihn geschaffene Frieden und Wohlstand sind unumkehrbar. Die jüngsten Ereignisse in der Ukraine zeigen, wie zerbrechlich der Frieden ist und wie schnell sich mitten in Europa eine Eskalationsspirale entwickeln kann“ (6). Vor diesem Hintergrund versteht sich dieses monumentale Handbuch als Beitrag zu einer ideengeschichtlichen Aufarbeitung des „europäischen Denkens“, das im Kern um das Ideal des Friedens kreist. Die Europa‑Idee wird im Spiegel von 100 „Klassikern“ reflektiert, die erzählen, „wie unser Bild von Europa geworden ist. Sie helfen uns, es in die Zukunft hinein fortzuschreiben“ (13). Die Artikel sind recht umfangreich, die 100 Klassiker nehmen insgesamt fast 700 Seiten ein; hinzu kommt ein vorangestelltes einleitendes Kapitel zum „europäischen Erbe“ (19), in dem die antiken kulturellen Wurzeln behandelt werden. – Auch wenn keine Auswahl je den Anspruch auf Repräsentativität vollständig wird einlösen können, so muss diese sich Kritik gefallen lassen. Obwohl einleitend die Bedeutung der Französischen Revolution für die Entwicklung Europas betont wird, so findet diese Erkenntnis kaum Niederschlag in der Konzeption. Zwar gibt es einen eigenständigen Artikel zu Condorcet, der nicht weniger wichtige Sieyès wird hingegen nur im Anhang als ein „weiterer“ (775) Klassiker des europäischen Denkens genannt. Dabei hat gerade Sieyès als einer der Ersten die nachrevolutionäre europäische Ordnung nicht nur durchdacht, sondern als französischer Diplomat (z. B. als Botschafter in Preußen von 1788 bis 1799) auch aktiv gestaltet. Stattdessen wird die Reihe der Aufklärer von Hobbes und Locke über Montesquieu und Rousseau bis hin zu Kant abgehandelt und zwar teilweise in recht allgemeiner Form. In diesen Passagen sind die Unterschiede zu herkömmlichen ideengeschichtlichen Lexika beziehungsweise Enzyklopädien marginal.
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Rubrizierung: 5.3 | 5.46 | 2.61 | 2.3 | 3.1 Empfohlene Zitierweise: Florian Weber, Rezension zu: Winfried Böttcher (Hrsg.): Klassiker des europäischen Denkens. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37584-klassiker-des-europaeischen-denkens_45649, veröffentlicht am 25.09.2014. Buch-Nr.: 45649 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken