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Gabriele Heinecke / Christiane Kohl / Maren Westermann (Hrsg.)

Das Massaker von Sant'Anna di Stazzema. Mit den Erinnerungen von Enio Mancini

Hamburg: LAIKA Verlag 2014; 140 S.; brosch., 19,- €; ISBN 978-3-944233-27-7
Im August 1944 ermordeten Angehörige der SS im kleinen italienischen Bergdorf Sant’Anna di Stazzema mindestens 560 Menschen: Männer, Frauen, Kinder. Enio Mancini gehört zu den wenigen Überlebenden des Massakers, das er in diesem Buch schildert. Die Brutalität und sinnlose Mordlust der Angreifer traf eine friedliche Dorfgemeinschaft, die bis dato nur wenig vom Kriege berührt worden war und deren Häuser zum großen Teil bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurden. Dennoch zeigte sich, dass nicht alle Angreifer Mörder waren: „Bei aller Grausamkeit gab es auch Soldaten, die sich anders verhielten […]. Die Schuldigen an Verbrechen wie denen von Sant’Anna sind Individuen. Niemand kann sich hinter dem Schutzschild erhaltener Befehle verstecken.“ (59) Mancini verdankt sein Überleben einem Soldaten – „er war sehr jung, fast noch ein Junge“ (62) –, der sich dem Mordbefehl widersetzte und in die Luft schoss. Nach Kriegsende verdrängte die italienische Regierung die Ereignisse – die Wiederherstellung der bilateralen Beziehungen zum NATO‑Partner Deutschland erschien wichtiger. Die Überlebenden treibt bis heute die Frage nach dem Warum an, da es zuvor in und um Sant’Anna keine Zusammenstöße mit deutschen Soldaten und keine Partisanenaktivitäten gegeben hatte. Sant’Anna di Stazzema steht somit stellvertretend für die annähend 10.000 unschuldigen italienischen Zivilisten, die zwischen Frühjahr und Herbst 1944 von der Wehrmacht und Waffen‑SS ermordet wurden. Mancini hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Erinnerung zu bewahren und das Verbrechen aufzuarbeiten. Seinem Engagement ist es zu verdanken, dass das Massaker international bekannt wurde und als Mahnmal für die Verbrechen an der Zivilbevölkerung gilt. Seine aktive Versöhnungsarbeit hilft dabei, das Gedenken gerade auch in der jungen Generation aufrechtzuerhalten. Insgesamt handelt es sich um einen bewegenden Zeitzeugenbericht, der vor Augen führt, wie Aufarbeitung und Versöhnung möglich sein können. „Der Krieg kann niemals humanitär, sondern immer nur das Gegenteil sein. Niemals mehr Hass, Zerstörung und Tod! Niemals mehr Krieg! Das einzige Gegengift ist der Frieden. Viele sagen mir, dass das utopisch ist. Ich will daran glauben!“ (83)
Fabrice Gireaud (FGI)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand und wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften und Philosophie, Universität Vechta.
Rubrizierung: 2.61 | 2.312 | 2.23 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Gabriele Heinecke / Christiane Kohl / Maren Westermann (Hrsg.): Das Massaker von Sant'Anna di Stazzema. Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37763-das-massaker-von-santanna-di-stazzema_46224, veröffentlicht am 06.11.2014. Buch-Nr.: 46224 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken