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Birgit Palzer-Rollinger

Zur Legitimität von Mehrheitsentscheidungen. Die Legitimitätsproblematik von Mehrheitsentscheidungen angesichts zukunftsgefährdender politischer Beschlüsse

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 1995 (Nomos Universitätsschriften: Politik 61); 271 S.; brosch., 68,- DM; ISBN 3-7890-3880-6
Diss. Göttingen; Erstgutachter: W. Euchner. - Mit welcher Legitimität kann per Mehrheitsregel über zukunftsgefährdende politische Probleme entschieden werden, und wie sehen alternative Entscheidungsprozesse aus? Zunächst untersucht die Autorin anhand verschiedener Menschenrechtskonzeptionen, ob es einen Bereich von Entscheidungen geben kann, der dem Zugriff über die Mehrheitsregel a priori entzogen sein muß. Daran schließt die Frage an, unter welchen Bedingungen Mehrheitsentscheidungen im "Normalfall" legitim sind. Neben den zweckrationalen und den wertrationalen Ansatz stellt sie den "reflexiven" Ansatz (127), zu dem sie z. B. Konzeptionen von J. Habermas, C. Offe und B. Guggenberger zählt, die die Mehrheitsregel selbst als Entscheidungsmechanismus zur Disposition stellen. Konsequent wird im weiteren die Qualität zukunftsgefährdender Entscheidungen im ökologischen Bereich untersucht, um sie in Relation zu den Entscheidungsregeln setzen zu können. Palzer-Rollinger plädiert schließlich für "Beratungsgemeinschaften", in denen "Vertreter verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen und der Politik miteinander kooperieren sollen, mit dem Ziel, einen Reflexionsprozeß in Gang setzen und letztendlich die Problemlösungs- und Steuerungskapazität verbessern zu können" (244 f.). Das pragmatische Politikberatungsmodell soll, Ansätzen von H. Willke und J. Habermas folgend, wechselseitige Kommunikation zwischen Politik und Wissenschaft ermöglichen, die Öffentlichkeit einbinden, Interessengruppen und Betroffene beteiligen, um zugleich Legitimationsdefiziten entgegenzusteuern. Die Autorin stellt abschließend fest, daß im Gegensatz zu moralischen Diskursen, die den Konsens anstreben müssen, Problemlösungsdiskurse durchaus den Dissens zulassen bzw. Dissens sogar erwünscht ist: "Dies bedeutet jedoch nichts anderes als das Festhalten am Mehrheitsprinzip mit all seinen Vorzügen, aber auch Grenzen und Aporien." (245) Inhaltsübersicht: I. Der Begriff des Mehrheitsprinzips; II. Mehrheitsprinzip und Demokratie: 1. Die Gleichsetzung von Mehrheitsprinzip und Demokratie; 2. Menschenrechte als Begrenzung des Mehrheitsprinzips; 3. Zwischenbilanz; 4. Das parlamentarische Mehrheitsprinzip in der Anfechtung; 5. Der Begriff der "Legitimität"; Die Rechtfertigung des Mehrheitsprinzips in der Demokratie; III. Neue Anforderungen angesichts ökologischer Probleme: 1. Produzieren wir Entscheidungen eines neuen Gefährdungspotentials? Ein Problemaufriß; 2. Verantwortung gegenüber der Natur und zukünftigen Generationen; IV. Ausblick: 1. Politikberatung als Ansatz; 2. Das Verhältnis von Wissenschaft und Politik: Eine Abgrenzung vom dezisionistischen und technokratischen Modell; 3. Zur Notwendigkeit der Einbeziehung der Öffentlichkeit; 4. Das Problem der Rückbindung des normativen Horizonts an die Praxis; 5. Kriterien zur praktischen Ausgestaltung.
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.21 | 5.4 | 4.42 Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Birgit Palzer-Rollinger: Zur Legitimität von Mehrheitsentscheidungen. Baden-Baden: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/401-zur-legitimitaet-von-mehrheitsentscheidungen_151, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 151 Rezension drucken