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Christian Graf von Krockow

Der deutsche Niedergang. Ein Ausblick ins 21. Jahrhundert

Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1998; 239 S.; geb., 39,80 DM; ISBN 3-421-05121-6
Von Krockow sieht Deutschland zwar in einer Phase des Niedergangs, fordert aber dazu auf, dieser Entwicklung entgegenzusteuern, um größeres Unheil zu verhindern. Diese Einschätzung beruht auf seiner historisch-zyklischen Sichtweise. Von Krockows Bewertungen der historischen Entwicklung klingen dabei teilweise so, als hege er eine Sympathie mit den Verteidigern "der Kultur gegen den westlichen Ansturm der Zivilisation" von 1914 (42). Vielsagend ist seine Faszination von der deutschen Kriegsmaschinerie in den beiden Weltkriegen: "Die Deutschen erbringen staunenswerte Leistungen, und sie kämpfen unvergleichbar tapfer. Alle europäischen Gegenkräfte reichen nicht mehr aus, um sie zu besiegen. Im Grunde müssen sogar das die Deutschen selbst übernehmen". Und auch im Zweiten Weltkrieg "gibt es noch einmal große Leistungen und sogar Tapferkeit und Opferbereitschaft; eine Weltkoalition muß aufgeboten werden, um Deutschland zu besiegen" (42 f.) - eine überflüssige, pathetische Glorifizierung der Kriegshandlungen eines rücksichtslos agierenden Aggressors. Die "Gewaltherrschaft" hätte, so von Krockow weiter, beim absehbaren Ausgang des Krieges nur noch ein Ziel gehabt: "Die Vernichtung, die von der Selbstvernichtung kaum mehr zu unterscheiden ist. Der deutsche Höhenflug endet im schreckensvollen Sturz in die Tiefe" (43). - Ist mit der Vernichtung der Holocaust gemeint, die "Politik der verbrannten Erde"? Mit der Selbstvernichtung die militärische Niederlage, die physische oder die moralische Zerstörung Deutschlands? Soll beides gleichgesetzt werden? Hier bleibt der Autor offenbar bewußt verschwommen. Nach dem Aufstieg der Bundesrepublik setzt dann für von Krockow 1990 wieder ein Abstieg ein, z. B. bedingt durch die Krise der Arbeitsgesellschaft, des Sozialstaats und die Bildungskatastrophe. Vorbildcharakter habe Großbritannien. Dort sei keine Zukunftsangst und kein übersteigertes Harmoniebedürfnis wie in Deutschland zu verspüren (143 f.). Zur Verteidigung des Wohlstands in Deutschland brauche man eine "Entriegelung des Fortschritts" (181), eine neue Leistungskultur nach dem Vorbild der traditionellen deutschen Arbeitskultur. Doch ein Aufschwung könne nur gelingen, wenn man das Leistungsprinzip auf der anderen Seite mit einem Wertewandel verbinde, der sich in neuen Lebensformen zeige. So sei ein bewußter Umgang mit Zeit nötig, eine Rückkehr von der technischen in die natürliche Zeit. Zudem solle man die "Erfahrung des Alters" und die "Feste des Lebens" (196, 202) würdigen. Aus dem Inhalt: I. Annäherung an das Thema: Der deutsche Aufstieg; Höhenflug und Absturz; Der Wiederaufstieg. II. Die Zeichen des Niedergangs: Triumph und Tragödie der Arbeitsgesellschaft; Anmerkungen zur Globalisierung und zur Wiedervereinigung; Ein Rundgang durch deutsche Probleme. III. Strategien im Niedergang: Vorspiel und Vergleich: Das britische Beispiel; Die Verteidigung des Wohlstands; Die Verteidigung der Freiheit; Auf der Suche nach neuen Lebensformen.
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.3 | 2.35 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Christian Graf von Krockow: Der deutsche Niedergang. Stuttgart: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/5691-der-deutsche-niedergang_7407, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 7407 Rezension drucken