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Joachim Fischer

Wie sich das Bürgertum in Form hält

Springe: zu Klampen Verlag 2012 (zu Klampen Essay); 140 S.; hardc., 18,- €; ISBN 978-3-86674-174-4
Anders als Fukuyama seinerzeit verkündete, war die „Gesellschaftsrevolution von 1989 […] ein überaus überraschender Anfang der Geschichte“ (12). Wie der Soziologe Joachim Fischer betont, war diese gesellschaftliche Revolution, die den Übergang von der sozialistischen in die bürgerliche Moderne markierte, keineswegs selbstverständlich. Vielmehr war sie historisch sehr unwahrscheinlich, weil drei heterogene und nicht aufeinander rückführbare Strukturmomente ineinandergegriffen; sie stellten die bürgerliche Gesellschaft vor drei – von ihr gut gelöste – Herausforderungen: Erstens das Prinzip der kapitalistischen Unternehmung mit dem kalkulierten Risikoeinsatz von Kapital durch private Unternehmen (Bürger als privater Eigentümer); zweitens das Prinzip der geselligen Assoziationen mit dem kalkulierten Risikoeinsatz der spontanen Vereinsgründungen als einem geselligen Substrat der Öffentlichkeit (Vereins‑ und Assoziationsbürger) sowie drittens das Prinzip individuell‑existentiell selbstregulierender Welt‑ und Selbsterschließung mit dem selbstgewagten und selbstdurchlittenen Risikoeinsatz von Welt‑ und Selbstdurchdringung (Bildungsbürger). Diesen Prozess setzten vor allem auch Frauen mit in Gang, denn es „optieren in ihrer Mehrheit die beruflich qualifizierten, emanzipierten Frauen dort, wo sie politisch alternativ entscheiden können, gerade nicht für die sozialistische Moderneformation – sondern saugen die bürgerlichen Gesellschaftsmuster vollständig in sich auf. […] Soziologisch gesehen ist die Frauenemanzipation die bedeutendste innergesellschaftliche Selbstaffirmation der bürgerlichen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ (31). Da so das Bürgertum erneut und mit deutlich besseren Strategien zum Motor der Entwicklung avancierte, ist nach Fischers Meinung nicht das 19. Jahrhundert, sondern die Gegenwartsgesellschaft das bürgerliche Zeitalter par excellence.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 5.42 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Joachim Fischer: Wie sich das Bürgertum in Form hält Springe: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9192-wie-sich-das-buergertum-in-form-haelt_43037, veröffentlicht am 04.04.2013. Buch-Nr.: 43037 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken