Soziolog. Diss. Freiburg; Gutachter: F. Pohlmann. - Auf ihrem Höhepunkt Anfang der 50er-Jahre erfuhren die seit Jahren in Osteuropa andauernden stalinistischen Parteisäuberungen eine kaum verhohlene antisemitische Ausrichtung. Auch in der DDR wurden hohe Parteimitglieder öffentlich angeklagt, im Dienst des Zionismus und der US-Finanzoligarchie die Ausplünderung Deutschlands betrieben zu haben. In dieser Arbeit fragt der Autor, wie Vorwürfe dieser Art entstehen konnten. Dabei untersucht er die Strukturen antisemitischen Denkens und vergleicht sie mit drei grundlegenden Programmatiken, die dem deutschen Kommunismus eine inhaltliche Prägung gaben: Zum einen mit dem Weltbild Lenins, dem er eine große Nähe zu antisemitischen Verschwörungstheorien und Feindbildern attestiert; zum zweiten mit der KPD-Propaganda während der Weimarer Republik; und schließlich mit der Politik der SED, die - so der Autor - sowohl die Lenin'sche Ideologie als auch den kommunistischen Nationalismus auf die Spitze trieb. Mit seiner Untersuchung belegt Haury, dass die Grundstrukturen des kommunistischen Weltbildes jenen des Antisemitismus sehr nahe sind. Im Zuge der Radikalisierung und Nationalisierung der kommunistischen Ideologie war die Integration des Antisemitismus zwar keine zwingende, infolge der europäischen Tradition des Antisemitismus allerdings eine äußerst nahe liegende Konsequenz. Inhaltsübersicht: 1. Grundstrukturen des antisemitischen Weltbildes; 2. "Zur Judenfrage" von Karl Marx - ein Klassiker antisemitischer Propaganda?; 3. Die SPD des Kaiserreichs; 4. Anti-antisemitischer Lenin - "strukturell antisemitischer" Leninismus?; 5. Die KPD der Weimarer Republik; 6. "Finanzkapital oder Nation" - spätstalinistischer Antizionismus in der DDR.