Auf dem Weg zur deutschen Einheit. Bilanz und Ausblick
Der Altbundeskanzler Schmidt zieht in 16 Beiträgen, die aus den letzten 15 Jahren stammen, eine Bilanz der bundesdeutschen Vereinigungsgeschichte. Die Aufsätze sind fast alle ursprünglich in der Wochenzeitung „Die Zeit“ erschienen. Das Buch wird abgerundet durch eine Rede, die Schmidt im Rahmen der „Erfurter Dialoge“ im Jahre 2004 gehalten hat, und durch einen bislang unveröffentlichten Beitrag, der eine Bewertung des Vereinigungsprozesses aus heutiger Sicht und Vorschläge für künftiges Handeln enthält. Schmidt sieht vier entscheidende politische Fehleinschätzungen, denen die Verantwortlichen zu Beginn der 90er-Jahre aufgesessen waren: die Währungsumstellung zu einem Wechselkurs von 1:1, das Vereinigungsgesetz, das dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ folgte, den Auftrag an die Treuhandgesellschaft und das Offenlassen der Finanzierung der Einheit. Schmidt spart nicht mit Kritik auch am damaligen Bundeskanzler Kohl. Er mahnt, den Deutschen im Osten nicht weiter das Gefühl zu geben, sie würden bevormundet. Schmidt fordert auch eine Veränderung der heutigen Politik, damit der Osten seine Eigenschaft als Krisenregion Deutschlands verliere und auf lange Sicht eine Perspektive habe. Die konkreten Vorschläge dazu lauten: neue Spielräume für ostdeutsche Politikgestaltung (z. B. für Deregulierungen), die Halbierung der Mehrwertsteuer bis 2020 und Schwerpunktförderungen für besonders betroffene Regionen. Schmidt ist in seiner Bewertung der gegenwärtigen Situation skeptisch, er ist aber ausreichend optimistisch, zu hoffen, dass die „gesamtdeutsche finanzielle Kalamität“ (220) zu beheben sei.