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Brigitta Bernet / Jakob Tanner (Hrsg.)

Ausser Betrieb. Metamorphosen der Arbeit in der Schweiz

Zürich: Limmat Verlag 2015; 344 S.; 48,- €; ISBN 978-3-85791-757-8
Die „Befreiung des Kapitals von seinen betrieblichen Fesseln“ (11) veranschaulichen Brigitta Bernet, Postdoc an der Professur für Technikgeschichte der ETH Zürich, und der Historiker Jakob Tanner in ihrer Einleitung zunächst ganz konkret: In einem Dorf, das in Besitz einer Papierfabrik war, wurden in den 1980er‑Jahren die Arbeiterunterkünfte abgerissen, um dem aus dem Unternehmen ausgelagerten Immobiliengeschäft neue Spielräume zu erschließen. Mit neuen Häusern ließen sich höhere Mieten erzielen, zugleich rückte in dieser Zeit der Aktienbesitz als Möglichkeit, Geld zu verdienen, stärker in das allgemeine Bewusstsein. „Die Frage, ob sich Arbeit überhaupt noch lohnt, wurde virulent.“ (12) Und so stehen in diesem Sammelband „Aufstieg, Stabilisierung und Erosion der ‚betriebskapitalistischen‘ Form der Arbeit im 19. und 20. Jahrhundert“ (7) im Mittelpunkt, verwoben mit Fragen nach der Bedeutung der Normalerwerbsarbeit, der betrieblichen Sozialpolitik und nach den Einflüssen der Frauenemanzipation auf eine lange paternalistische Arbeits‑ und Konsumgesellschaft. Als Fallstudie bietet sich die Schweiz nach Ansicht der Herausgeber an, weil dort bis in die 1980er‑Jahre hinein ein hoher Anteil der Beschäftigten im gewerblich‑industriellen Sektor gearbeitet hat und daher die Auflösung der traditionellen Hochburgen der Industrieproduktion das Land empfindlich getroffen hat. Die Beiträge seien von der Annahme geleitet, schreiben Bernet und Tanner, „dass sich globale Prozesse in lokalen Verhältnissen realisieren und dass institutionelle Rahmenbedingungen und gesetzliche Regulierungen die Deutung und Wertschätzung jener Praktiken, die als ‚Arbeit‘ bezeichnet werden, wesentlich geprägt haben“ (27). Im ersten Teil über „Kodifizierungen“ geht es um die Verschiebung von Perspektiven und es passt zu dem breiten Panorama, das mit diesem Band eröffnet wird, dass auch den Rentnerinnen und Rentnern ein Beitrag gewidmet wird – nur durch Arbeit kann es ein Nach‑der‑Arbeit geben. Der „Blickwechsel“ im zweiten Teil zeigt unter anderem Konzepte von Arbeit und Kunst in den 1970er‑Jahren, ein Aspekt ist hier die Inszenierung der künstlerischen Arbeit als Handwerk und das Selbstverständnis von Künstlern, mit ihrem Werk auch politische Arbeit zu leisten. Im dritten Teil werden „Grenzverschiebungen“ zwischen Arbeit und Nicht‑Arbeit etwa am Beispiel einer betrieblichen Bewegungspause bei einem Lebensmittelhersteller aufgezeigt. Insgesamt lassen die Beiträge in diesem sorgfältig hergestellten und bebilderten Band schon das Fazit erahnen, das Marcel van der Linden aus globaler Perspektive im Schlusswort zieht: „Lohnarbeit ist immer an andere Arbeits‑ und Überlebensstrategien gekoppelt“ (335), die Betrachtung habe daher der sozialen Gruppe der Arbeitenden zu gelten. Deutlich werde zudem, dass im Weltkapitalismus irreguläre Beschäftigungsverhältnisse ‚normal‘ seien.
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Rubrizierung: 2.52.22.222.232.2622.2632.27 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Brigitta Bernet / Jakob Tanner (Hrsg.): Ausser Betrieb. Zürich: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38956-ausser-betrieb_47409, veröffentlicht am 08.10.2015. Buch-Nr.: 47409 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken