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Frank Deppe (Hrsg.)

Autoritärer Kapitalismus. Demokratie auf dem Prüfstand

Hamburg: VSA 2013; 299 S.; 24,80 €; ISBN 978-3-89965-571-1
Dass Kapitalismus und Demokratie in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen, ist unter den meisten Sozialwissenschaftlern seit jeher unbestritten. Darüber, worin dieses Spannungsverhältnis konkret besteht, wird seit einigen Jahren allerdings vermehrt diskutiert. Für Colin Crouch etwa äußert sich der Zwang der ökonomischen Globalisierung in der Entwicklung zu einer Postdemokratie, für andere sind Demokratie und Kapitalismus gar gänzlich unvereinbar. Frank Deppe, emeritierter Politikprofessor aus Marburg, fragt, ob wir gegenwärtig – verstärkt durch die Wirtschafts‑, Finanz‑ und Haushaltskrisen seit 2008 – die Wende von einem „demokratischen“ hin zu einem „autoritären Kapitalismus“ erleben. So sei der (sozial‑)demokratische Nachkriegskonsens in der ersten Globalisierungsphase noch „durch eine Schwächung der sozialen und ökonomischen Interventionsfunktionen des Nationalstaates zugunsten der Stärkung […] der globalen Marktkräfte auf der einen und den Ausbau staatlicher, exekutiver Funktionen im Bereich der Sicherheit und der Eigentumsrechte auf der anderen Seite gekennzeichnet“ (150) gewesen. Mittlerweile lasse sich eine massive „Verstärkung der disziplinierenden Elemente, die von der staatlichen Übernahme des Risikos von Großunternehmen und Banken auf die Gesellschaft ausgehen“ (152), beobachten – von Instrumenten zur Sicherstellung der fiskalischen Disziplin bis zur (teils gewaltsamen) Niederschlagung demokratischer Proteste. Anders formuliert: der Trend gehe nicht nur in Richtung eines Abbaus der sozialen, sondern auch der politischen Demokratie. Hier trifft sich Deppe durchaus mit den Annahmen der Postdemokratie, geht aber insofern darüber hinaus, als er nicht nur die institutionelle Auflösung des demokratischen Nachkriegskonsenses betrachtet, sondern die (undemokratische und partiell autoritäre) Durchsetzung eines bestimmten Politikinhalts hervorhebt. Empirisch erweitert er aus diesem Grund die Betrachtung westeuropäischer Entwicklungen um eine Analyse von Regionen, in denen das Verhältnis zwischen Kapitalismus und Demokratie in den vergangenen Jahrzehnten weniger gefestigt gewesen bzw. erst in der Definition begriffen sei (USA, Russland, China und Indien). Die beschriebenen Entwicklungen sind vermutlich von der Tendenz her durchaus real, allerdings lesen sich die empirischen Beispiele weniger als abgeschlossene Fallstudien, vielmehr hantiert Deppe viel mit Zahlen, medialen Berichten und Sekundärliteratur. Das Buch lässt sich in diesem Sinne eher als politische Einmischung verstehen denn als Zusammenfassung einer zeitgenössischen Entwicklung – und damit zugleich als zukünftiges Forschungsprogramm.
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Rubrizierung: 2.22.222.642.262.68 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Frank Deppe (Hrsg.): Autoritärer Kapitalismus. Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38262-autoritaerer-kapitalismus_44990, veröffentlicht am 09.04.2015. Buch-Nr.: 44990 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken