Die französischen Banlieues – ghettoähnliche Stadtrandviertel mit rund 2,5 Millionen Einwohnern – belegen in den Augen von Beobachtern das Scheitern des republikanischen Gesellschaftsmodells. Diese Sozialräume werden von vielen ihrer Bewohner als Orte systematischer Ausgrenzung erlebt. Die Betroffenen sind in erster Linie Jugendliche und Jungerwachsene, vielfach mit Migrationshintergrund in der zweiten und dritten Generation. Sie stoßen – im Widerspruch zu ihrem staatsbürgerlichen Status – im Beschäftigungs- und Bildungssystem auf tief sitzende, zumeist rassistisch geprägte Diskriminierungen. Vor dem Hintergrund der immer wieder auftretenden Ausschreitungen (2005 führten die wochenlangen Ereignisse zur Ausrufung des Ausnahmezustands) gelten die Banlieues nicht nur in der französischen Öffentlichkeit als „Räume begrenzter Staatlichkeit“ (17), auf die der Staat – bisher erfolglos – mit verschärften Überwachungsstrategien und sozialpolitischen Programmen reagiert. Mit den in diesem Band versammelten Analysen, Hintergrundberichten und Interviews mit Beteiligten der Aufstände versuchen die Autoren den besonderen Charakter dieses Protesttypus zu erschließen. Diese Revolten lassen sich kaum in das Raster herkömmlicher sozialer Konflikte einfügen. Sie entstehen zumeist spontan, verlaufen scheinbar unorganisiert und ohne explizite Forderungen. Es könnte sich in ihnen, so vermuten die Herausgeber, eine neue Subjektivität des politischen Protestes äußern, in dem sich – als Kehrseite einer Lebensform der als überflüssig Deklarierten – Wut über Ausgrenzung und Kämpfe um Anerkennung überlagern. Zweifellos ist diese Diskussion gleichfalls für deutsche Verhältnisse hoch relevant, auch wenn hier die Jugendarbeitslosigkeit weit unter dem französischen Niveau liegt und Stadtviertel wie Wedding oder Neukölln in Berlin sich von den Zuständen der Banlieues noch deutlich unterscheiden.