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Rasmus Beckmann

Clausewitz trifft Luhmann. Eine systemtheoretische Interpretation von Clausewitz' Handlungstheorie

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011 (Globale Gesellschaft und internationale Beziehungen); 249 S.; 39,95 €; ISBN 978-3-531-17911-7
Diss. Köln; Gutachter: Th. Jäger, W. Leidhold. – Der preußische General Clausewitz (1780-1831) entwickelte seine Theorie über den Krieg, erläutert Beckmann, als er sich mit der hochintensiven napoleonischen Kriegsführung konfrontiert sah. Dabei erkannte er, dass Napoleon einen großen Teil Europas unterwerfen konnte, weil seine Kriegsführung außerhalb der Begriffe seiner Gegner lag. Vor allem hatten diese nicht die tief greifenden Änderungen der sozio-politischen Verhältnisse in Frankreich infolge der Revolution wahrgenommen und damit auch nicht die andere Form, einen Krieg zu führen. Clausewitz fragte sozialwissenschaftlich aber nicht nur, was übersehen worden war, sondern auch, wie sich „die ‚Sehfähigkeit’“ (13) verbessern lässt, um ähnliche Fehler in Zukunft zu vermeiden. In der Konsequenz stellte Clausewitz fest, dass eine gute Kriegstheorie psychologische Faktoren, die Dynamiken des wechselseitigen Handelns und die Ungewissheit der Akteure berücksichtigen muss. Der Autor erläutert, dass Clausewitz damit eine Handlungstheorie entworfen sowie dem Mittel und dem Zweck eine herausragende Bedeutung in der Analyse eingeräumt hatte. Die Konturen dieser Theorie lassen sich Beckmanns Ansicht nach mittels der Luhmann’schen Systemtheorie schärfen, da diese das Subjekt des Handelns in den Mittelpunkt stellt und Handlungssysteme entwirft, mit denen sich das Geschehen zugleich auf wesentliche Faktoren reduziert wahrnehmen lässt – womit auch die Handlungsgrenzen aufgezeigt werden können. Der Autor ergänzt also die Clausewitz’sche Beobachtung des Krieges durch die Luhmann’sche Beobachtung des Beobachters. Die Einsichten aus dieser theoretisch sehr ergiebigen Erörterung wendet Beckmann auf den Krieg in Afghanistan an – Clausewitz hat mit der Beschreibung der Allianzkriegsführung und der damals sogenannten kleinen Kriege auch eine Grundlage geschaffen, die neuen asymmetrischen Kriege der Gegenwart zu erfassen. Tatsächlich gelingt dem Autor so eine prägnante Analyse der Absichten und Vorgehensweisen der an diesem Krieg beteiligten Akteure. Deutlich werden die Bruchstellen zwischen dem Ziel, Terror und Aufstand zu bekämpfen, und dem, die Bevölkerung auf die Seite der afghanischen Regierung zu ziehen – „insbesondere dann, wenn bei gezielten Tötungen Unbeteiligte ums Leben kommen“ (223). Da der ISAF-Einsatz an Faktoren zu scheitern drohe, die in der zivilen Umwelt des Krieges zu finden seien, so das Fazit, sollten die politischen Ziele – um überhaupt Aussicht auf Erfolg zu haben – möglichst eng definiert werden.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.1 | 5.46 | 5.33 | 4.41 | 2.68 | 4.3 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Rasmus Beckmann: Clausewitz trifft Luhmann. Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33575-clausewitz-trifft-luhmann_40182, veröffentlicht am 01.06.2011. Buch-Nr.: 40182 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken