Skip to main content
Julia Höppner

Das Betreuungsgeld und seine Inanspruchnahme. Norwegen, Schweden und Deutschland im Vergleich

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015 (Schriften des Zentrums für Sozialpolitik 27); 257 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-593-50273-1
Diss. Bremen; Begutachtung: K. Hinrichs, K. Gottschall. – Der Einführung des Betreuungsgeldes im August 2013 in Deutschland war eine kontroverse Debatte über die möglichen Effekte auf die Erwerbsarbeit von Müttern, die Geschlechtergerechtigkeit und die Qualität der frühkindlichen Bildung vorausgegangen. Kritisiert wurde vor allem, dass damit das traditionelle Familienmodell des Alleinernährers (male‑breadwinner‑model) unterstützt wird. Insofern „mag es erstaunen“, schreibt die Autorin, „dass diese Leistung bisher allein in den nordischen Ländern existierte, deren Familienpolitik weitgehend dem ‚dual‑earner/dual career‑model‘ entspricht“ (13) und die in politischen Debatten immer als positives Beispiel herangezogen werden. Vor diesem Hintergrund fragt Julia Höppner nach der Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes in Schweden und Norwegen. Während Schweden eine geringe Nutzung dieser Leistung ausweist, wurde sie in Norwegen nach ihrer Einführung 1998 zunächst stark nachgefragt, dann aber erfolgte ein deutlicher Rückgang. Die Autorin fragt nach den Gründen für diese Unterschiede zwischen den beiden Ländern und den Wandel in Norwegen. Da zum Zeitpunkt der Analyse noch keine Daten für Deutschland vorlagen, zielt die Arbeit darauf ab, anhand der Ergebnisse Prognosen über die Nutzung des (im Sommer 2015 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten) Betreuungsgeldes in Deutschland abzuleiten. Als einen möglichen Einflussfaktor, der Eltern dazu bewegt, das Betreuungsgeld als Alternative zur öffentlichen Kinderbetreuung zu beantragen, untersucht die Autorin das Zusammenspiel dieser Leistung mit anderen wohlfahrtspolitischen Policies (institutionelles Regime). Hier zeigt sich, dass die Leistung, trotz unterschiedlicher Höhe und institutioneller Ausgestaltung, in den drei Ländern mit ähnlichen Anreizen verbunden ist und insbesondere „für Familien mit niedrigen Einkommen das male‑breadwinner‑model fördert“ (103). Ein zweiter Erklärungsfaktor ist die soziale Umwelt, hier fragt Höppner nach den Einstellungen und dem Verhalten der Eltern. Für Norwegen kann sie einen Wandel in den Einstellungen hin zu einer egalitären Familienpolitik feststellen, der sich in dem Rückgang der Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes zeigt. Insgesamt erweist sich das Betreuungsgeld als eine Leistung, „die in ihrem familienpolitischen Leitbild nicht zum Mainstream der normativen Orientierungen der Eltern in beiden Ländern passt“ (186). Für Deutschland nimmt die Autorin an, dass sich das Betreuungsgeld zwar als familienpolitisches Instrument etablieren könnte, verweist dabei aber auf einen starken Ost‑West‑Gegensatz.
{AR}
Rubrizierung: 2.2622.612.3422.2 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Julia Höppner: Das Betreuungsgeld und seine Inanspruchnahme. Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39305-das-betreuungsgeld-und-seine-inanspruchnahme_47078, veröffentlicht am 28.01.2016. Buch-Nr.: 47078 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken