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Hubert Kiesewetter

Das einzigartige Europa. Zufällige und notwendige Faktoren der Industrialisierung

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996; 279 S.; 39,- DM; ISBN 3-525-01362-0
Worin beruht die "Einzigartigkeit" Europas? Die industrielle Revolution im 18./19. Jahrhundert in Europa hat das gesamte Leben tiefgreifend verändert, stärker als alle politischen Revolutionen. Der Autor, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, zeigt, daß die Entwicklung nicht zufällig verlief, sondern auf dem günstigen Zusammentreffen von "zufälligen" und "notwendigen" Faktoren basierte. Unter "zufälligen" Faktoren versteht Kiesewetter die Industrialisierung fördernde bzw. hemmende Bedingungen, die überwiegend von der Natur vorgegeben sind. Er nennt vier wachstumsfördernde Faktoren: die Geographie, die Bodenschätze, das Klima, die Fruchtbarkeit des Bodens. Demgegenüber stehen die "notwendigen" Faktoren - Bedingungen, "die von Menschen geschaffen wurden und für ökonomische Zwecke anwendbar waren" (35), wozu technische Entdeckungen und Erfindungen zählen. Diese Faktoren wurden während des Modernisierungsprozesses geschaffen, von ihnen gehen Effekte aus, die für die Industrialisierung unabdingbar waren. Darunter faßt der Autor: das Kapital, die Technik, die Unternehmerschaft, die Bildung. Die Industrialisierung wäre, so Kiesewetter, ohne das Ineinandergreifen beider Typen von Faktoren nicht denkbar gewesen. Europas "Einzigartigkeit" ist inzwischen von anderen Staaten, beispielsweise den USA oder Japan, imitiert worden. "Sie ist also nicht nur in Europa verloren gegangen, sondern sie scheint endgültig vorbei zu sein. Wenn Europa nicht noch mehr von seinem relativ großen Wohlstand verlieren will, dann muß es sich auf seine wirtschaftlichen und moralischen Ursprünge zurückbesinnen." (10) Hierzu möchte der Autor mit seinem Buch beitragen. So erachtet er u. a. eine effektive "Aufbauhilfe" (187) in den unterentwickelten Staaten für prioritär und schlägt die Öffnung der europäischen Märkte für Produkte aus diesen Ländern vor, von der wir langfristig profitieren werden. Da in den Entwicklungsländern viele der Faktoren fehlen, die in Europa zu Beginn der Industrialisierung vorhanden waren, sollten von den Industriestaaten Maßnahmen ergriffen werden, um einige der notwendigen Faktoren dort zu fördern. "Unsere historische Einzigartigkeit erfordert [...] die Verpflichtung und die Verantwortung, nach Wegen und Lösungen zu suchen, wie den weniger begünstigten Menschen in entwicklungsschwachen Regionen ein angemessener Wohlstand zu Teil werden kann." (199)
Sabine Steppat (Ste)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.2 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Hubert Kiesewetter: Das einzigartige Europa. Göttingen: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/3061-das-einzigartige-europa_4009, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 4009 Rezension drucken