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Francisco Marí / Rudolf Buntzel

Das globale Huhn. Hühnerbrust und Chicken Wings – Wer isst den Rest?

Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel 2007; 279 S.; pb., 19,90 €; ISBN 978-3-86099-852-6
Nach der Lektüre dieses Buches fasst man den festen Vorsatz, nur noch ganze Suppen- oder Brathühner zu kaufen. Denn wer sich nur eine Hühnerbrust brät, macht sich zum Komplizen einer Entwicklung, die einem aus mehreren Gründen den Appetit verdirbt. Marí und Buntzel schildern, wie veränderte Essgewohnheiten in Europa und Nordamerika dazu geführt haben, dass in Westafrika ganze Hochzeitsgesellschaften mit Salmonellenvergiftung im Krankenhaus landeten und Frauen, die sich mit einer kleinen Hühnerzucht selbständig gemacht hatten, verschuldet aufgeben mussten und das Schulgeld für ihre Kinder nicht mehr zahlen konnten. Bis vor zehn, zwanzig Jahren wurde auch auf der Nordhalbkugel ein ganzes Huhn zubereitet. Mit dem Trend, nur noch Hühnchenteile für die schnelle Küche zu kaufen, entstanden Tonnen an Fleischresten, das niemand mehr haben wollte. Um die Entsorgungskosten zu sparen, fing die Hühnerindustrie an, diese Teile tiefgefroren zu Dumpingpreisen nach Afrika zu verkaufen. Dort waren bislang nur lebende Tiere verkauft worden, ein Hygieneproblem hatte es nicht gegeben. Nun aber überschwemmten die viel zu billigen Hühnchenteile den Markt, aufgetaut und manchmal wieder eingefroren, ohne jede Kontrolle. Der Absatz der einheimischen Hühner brach ein. Nachdem die Autoren von einer NGO aus Kamerun den Auftrag erhalten hatten, die Geschichte und Hintergründe des „globalen Huhns“ zu recherchieren, setzte dort eine Informationskampagne ein. In Nigeria wurde entgegen den WTO-Regeln sogar die Einfuhr ausländischen Geflügels verboten – zumal es in Afrika nie einen Mangel an Hühnerfleisch gegeben hat. Die Autoren beziehen in ihre Studie über diese schwerwiegende Fehlentwicklung von Handelsbeziehungen auch das Agieren der Hühnerindustrie ein, die kritisch zu sehende Verengung der Zucht auf wenige Arten sowie die vernichtenden Auswirkungen der Vogelgrippe auf die traditionelle Hühnerhaltung vor allem auf der Südhalbkugel – von der die international agierende Hühnerindustrie profitiert, weil ihre Hygienestandards als Regierungspolitik übernommen werden.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.43 | 2.67 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Francisco Marí / Rudolf Buntzel: Das globale Huhn. Frankfurt a. M.: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27209-das-globale-huhn_31810, veröffentlicht am 16.08.2007. Buch-Nr.: 31810 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken