Skip to main content
Bernhard Emunds / Hans Günter Hockerts (Hrsg.)

Den Kapitalismus bändigen. Oswald von Nell-Breunings Impulse für die Sozialpolitik

Paderborn: Ferdinand Schöningh 2015; 276 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-506-78117-8
Die Herausgeber widmen Oswald von Nell‑Breuning anlässlich seines 125. Geburtstages einen Sammelband. Dieser enthält wesentliche Aspekte des politischen Denkens des bekanntesten bundesdeutschen katholischen Soziallehrers. Ausgehend von Nell‑Breunings Kapitalismuskritik und immer wieder auf diese zurückkommend, werden wesentliche Schwerpunkte seiner politisch‑intellektuellen Eingriffe präsentiert: die Frage der Vermögensbildung und der Unternehmerverfassung, die Lohnfrage und das Tarifsystem, Aspekte der Generationengerechtigkeit, seine Theorie der Sozialpolitik und schließlich seine grundlegenden theologischen Positionen. Dass Letztere explizit nur aus protestantischer Sicht erörtert werden, auch wenn in vielen der hier versammelten Beiträge auf die Tradition der Katholischen Soziallehre verwiesen wird, ist etwas bedauerlich. Grundsätzlich ist der Band von der Spannung getragen, dass die Autoren einerseits um die zeithistorische Bedingtheit von Nell‑Breunings entwickelter Position wissen, andererseits durchaus seine Einsicht teilen, dass industrielle Beziehungen als Herrschaftsverhältnisse stets einer sozialen Ausgestaltung und mithin politischer Aushandlung bedürfen. So wissen die Autoren sehr wohl um die Kluft zwischen heute und dem gesamtwirtschaftlichen und ‑gesellschaftlichen Kontext des Wohlfahrtskapitalismus, die zahlreiche seiner Vorschläge doch fraglich werden lässt. Hier dürfte den ideengeschichtlich interessierten Leser etwa der Vergleich zu Thomas Piketty von Bernhard Emunds reizen. Und doch schiebt sich bei aller analytisch‑historisierender Perspektive und rückblickender Kritik stets auch Melancholie ein. Sie tritt in den Beiträgen zutage, in denen auf die Analyse der Appell folgt, an seine normativen Leitideen anzuknüpfen, etwa Arbeit als Teil menschlicher Würde jenseits des Kapitalismus zu verstehen. Allein dort, wo die Plausibilität der normativen Leitideen Nell‑Breunings in Zweifel gezogen werden (am deutlichsten von Christiane Kuller in ihrem Beitrag über die normativen Implikationen seines Konzepts der Drei‑Generationen‑Solidarität), wird er zum bloßen Objekt einer intellektuellen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Als Fazit und vorläufiger zeitgeschichtlicher Schlusspunkt kann durchaus der letzte Satz im Beitrag von Matthias Möhring‑Hesse dienen: „Eine dauerhafte Ordnung einer wohlgeordneten Gesellschaft, wie sie Oswald von Nell‑Breuning einst im Sinne hatte, ist damit für den demokratischen Sozialstaat jedenfalls nicht in Sicht.“ (260)
{FS}
Rubrizierung: 5.462.3312.3422.3432.352.3132.3 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Bernhard Emunds / Hans Günter Hockerts (Hrsg.): Den Kapitalismus bändigen. Paderborn: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39179-den-kapitalismus-baendigen_47559, veröffentlicht am 10.12.2015. Buch-Nr.: 47559 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken