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Alfred Rührmair

Der Bundesrat zwischen Verfassungsauftrag, Politik und Länderinteressen

Berlin: Duncker & Humblot 2001 (Beiträge zum Parlamentsrecht 50); 181 S.; 52,- €; ISBN 3-428-10532-X
Rechtswiss. Diss. München; Gutachter: H.-J. Papier, P. Badura. - Ist der Bundesrat heute ein "überparteiliches Organ" und "ruhender Pol sachbezogener Erwägungen" oder eher eine "Gegenregierung", ein "Bundesoppositionsrat" (14)? In einer Art verfassungspolitischem Plädoyer zeigt Rührmair, inzwischen Regierungsrat im bayerischen Wirtschaftsministerium, wie wenige rechtliche und praktische Grenzen der "Politisierung" dieses Bundesorgans entgegenstehen. Zwar habe der Parlamentarische Rat keine parteipolitische, sondern eine Vertretung der Länder im Sinn gehabt, doch sei die Entwicklung in der Praxis schnell und aus legitimen Gründen anders verlaufen. Rührmair belegt die "Zwangsläufigkeit der Politisierung" (41) als auch "verfassungsrechtlich selbstverständlich" (44) u. a. mit zahlreichen Verweisen auf die Struktur des politischen Prozesses und auf "Interdependenzen von Bundes-, Landes- und Parteiinteressen" (42). Für den Bundesrat bestehe nicht einmal eine analoge Regelung zum Art. 38 (1), 2 GG, welche parteipolitischen Erwägungen irgendeine (theoretische) Grenze setzen könnte. So bleibe letztlich auch die Ansicht von der Unzulässigkeit parteilicher Obstruktionspolitik vermittels des Bundesrates eine "eher akademische These" (160). Andererseits setzten aber Regelmäßigkeiten des politischen Prozesses der parteipolitischen Einflussnahme auf die Entscheidungen im Bundesrat auch Grenzen. Während Koalitionsvereinbarungen zum Abstimmungsverhalten im Bundesrat zulässig seien, verbiete die Verfassung entsprechende verbindliche Instruktionen seitens der Länderparlamente oder gar Volksbefragungen dazu. Die Arbeit ist auf dem Stand vom Juli 2000. Ausgeklammert bleiben Probleme des Länderfinanzausgleichs und weitgehend auch der europäischen Integration. Rührmair beweist mit seinem aufgrund der Bandwurmsätze und des exzessiven Fußnotenapparats (827 Fußnoten auf 150 Textseiten insgesamt) nicht eben leicht lesbaren Band, dass moderne staatsrechtliche Forschung durchaus undogmatisch praxisorientiert sein kann. Das tradierte Bild des Gegenübers von Parlament und Regierung vermag aber auch er noch nicht zu überwinden. Inhaltsübersicht: B. Die historische Entwicklung des Bundesrates: I. Der Bundesrat als geschichtlich gewachsene Einrichtung; II. Die Vorläufer des Bundesrates; III. Die Beratungen zum Grundgesetz; IV. Der Bundesrat des Grundgesetzes im Lichte seiner Vorläufer; V. Der Wandel des Bundesrates seit Entstehung des Grundgesetzes. C. Der Bundesrat als politisches Organ: I. Die Politisierung des Bundesrates: 2. Die Politisierung des Bundesrates in Geschichte und Praxis der Bundesrepublik Deutschland; 3. Die Beschlüsse des Bundesrates als politische Entscheidungen; 4. Relativierung des Problems in der Praxis; 5. Grenzen der Politisierung; 6. Konsequenzen der Politisierung für das Verhältnis zu den Länderparlamenten. II. Insbesondere: Unterschiedliche parteipolitische Mehrheiten in Bundesrat und Bundestag (Stichwort Blockadepolitik): 2. Blockadepolitik in der Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland; 3. Aus der Blockadesituation erwachsene Probleme; 4. Relativierung des Problems in der Praxis; 5. Keine Verfassungskrise durch Blockadepolitik; 6. Blockadeähnliche Situation bei identischen Mehrheitsverhältnissen. III. Insbesondere: Koalitionsvereinbarungen über das Abstimmungsverhalten. D. Der Bundesrat im Gefüge der Länderinteressen: I. Der Bundesrat als Bundesorgan; II. Entscheidungsverhalten in Bundes- und / oder Landesinteresse; III. Verantwortlichkeit der Bundesratsmitglieder vor ihren Ländern: 2. Grund der Diskussion; 3. Verschiedene Arten der Einflußnahme; 5. Parlamentarische Verantwortlichkeit; 6. Weisungsbefugnis; 7. Unverbindliche Empfehlung; 8. Information; 9. Insbesondere: Zustimmungserfordernis bei Grundgesetzänderungen? IV. Die Schwächung der Länderparlamente: 1. Ausgangslage; 2. Reformmöglichkeiten. V. Zwischenländerkooperation und der Bundesrat als koordinierendes Organ.
Andreas Beckmann (AB)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaften, Bereich Politikwissenschaft, Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.321 Empfohlene Zitierweise: Andreas Beckmann, Rezension zu: Alfred Rührmair: Der Bundesrat zwischen Verfassungsauftrag, Politik und Länderinteressen Berlin: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/16362-der-bundesrat-zwischen-verfassungsauftrag-politik-und-laenderinteressen_18790, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 18790 Rezension drucken