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Arno Gruen

Der Kampf um die Demokratie. Der Extremismus, die Gewalt und der Terror

Stuttgart: Klett-Cotta 2002; 190 S.; geb., 15,- €; ISBN 3-608-94224-6
In etlichen Berichten über das Verhalten von Gewalttätern ist das Lächeln festgehalten, das diese zeigten, während sie folterten oder prügelten. Der in der Schweiz praktizierende Psychoanalytiker interpretiert dieses Lächeln nicht nur als Verhöhnung der den Opfern zugefügten Schmerzen, es ist für ihn zugleich ein Akt genereller Verleugnung: "Die Verleugnung des Schmerzes ist das Allgemeine, das wir alle erlebt haben, weil diejenigen, die uns den Schmerz zugefügt haben, es von uns verlangt haben." (25 f.) Ausgehend von dieser Perspektive setzt sich der Autor - jeweils an konkreten Fällen - mit unterschiedlichen Formen von Gewalt im Spektrum des politischen Extremismus auseinander. Trotz der unbestreitbaren psychodynamischen Differenzen zwischen beispielsweise Rechts- und Linksradikalismus führt Gruen Gewaltbereitschaft auf ähnliche gesellschaftliche Strukturen zurück, allerdings nicht im Sinne abstrakter Mächte, "sondern im Sinne von gesellschaftlich gebilligten Erlebnissen, die uns formen und in uns sind" (16). Die gewaltaffine Formierung verweist auf frühkindliche Sozialisationsprozesse, in denen die Fähigkeit zur Empathie - also die Bereitschaft, Gefühle des Gegenübers wahrzunehmen und anzuerkennen - blockiert wird. Die damit erzeugten konformistisch-autoritären Einstellungen sind politisch von Demagogen und Populisten allzu leicht ausbeutbar. Der Beitrag der Psychoanalyse im "Kampf um die Demokratie" besteht deshalb nicht zuletzt in der Einsicht, wie Gruen in Anlehnung an den englischen Analytiker Winnicott betont, dass "eine demokratische Gesellschaft [...] emotional reife Mitglieder" brauche (55). Inhaltsübersicht: 1. Rechtsradikalismus; 2. Linker Radikalismus; 3. Empathie; 4. Haß und Gewalt sind das Motiv - nicht Ideologie; 5. Selbstmitleid und Schmerz in der Entstehung von Gewalt; 6. Gehorsam, Mitgefühl und Identität; 7. Gewalttätigkeit als Lebendigkeit; 8. Die unerkannte Krankheit: Die Maske der Menschlichkeit; 9. Der Terrorismus; 10. Das Morden; 11. Das Opfersein; 12. Was tun?
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.25 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Arno Gruen: Der Kampf um die Demokratie. Stuttgart: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/16983-der-kampf-um-die-demokratie_19504, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 19504 Rezension drucken