Der Kampf um die Demokratisierung der Justiz. Richter, Politik und Öffentlichkeit in der Bundesrepublik
Geschichtswiss. Habilitationsschrift Bielefeld. – Requate untersucht die Justizpolitik der 60er-/70er-, einschl. der konservativen Konsolidierung der 50er-Jahre; dies nicht als bloße „Institutionengeschichte“, sondern im Kontext des „Rechtsdenkens“, also „wie sich Vorstellungen von der Rolle der Justiz in der Gesellschaft gewandelt haben“ (22). So spiegelt sich „68“ auch hier wider. Speziell aber sah sich eine obrigkeitsstaatliche Justiz mit der Forderung nach „Demokratisierung“, „Liberalisierung“, Ausbildungsreform und dem „politischen Richter“ (Wassermann, 1972) ebenso konfrontiert wie mit einer Hochphase der Rechtssoziologie, die sie mit sozialwissenschaftlichem Impetus zur modernen" gesellschaftlichen „Realität“ hin öffnen wollte. Bemerkenswert bleibt, dass die Reformeuphorie – mit weitem Vorlauf vor „68“ – infolge der politischen Polarisierung ein „jähes Ende nahm“ (25). Requate kommt zu „dialektischen“ Befunden: So sei der „‚Rollback’“ der 70er als Gegenreaktion auf den „angekündigten ‚Marsch durch die Institutionen’“ auch eine der „mittelfristigen Folgen der Protestbewegung“ (393) gewesen. Die Demokratisierung der Justiz mündete nicht zwingend in deren Liberalisierung, insofern z. B. die „Neuen Sozialen Bewegungen [...] bei „Umweltschutz, Rechtsradikalismus, sexueller Freiheit [...] ganz auf Strafverschärfungen [...] drängten“ (400). Infolge von Entliberalisierungen wiederum wurde die radikale Veränderung mithilfe der Sozialwissenschaften im Laufe der 70er im „linken“ juristischen Denken durch „die defensive Verteidigung von Grundrechten“ (397) rechtspositivistisch ersetzt. Dabei wird manch „pikante“ Interessenparallelität aufgezeigt, etwa wenn der konservative Richterbund auf den Reformzug aufspringt, um die „eigenständige – höhere – Richterbesoldung“ (394) durchzusetzen. Requate zeigt diese politische Einbettung von Recht und Justiz insgesamt überzeugend und quellengesättigt als eine Diskursgeschichte des Reformklimas, vor allem an den „politisierteren“ Rechtsgebieten Verfassungs- und politisches Strafrecht.