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Thomas Brechenmacher

Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart

München: C. H. Beck 2005; 326 S.; geb., 24,90 €; ISBN 3-406-52903-8
Die schrittweise Öffnung der Archive der vatikanischen Glaubenskongregation hat seit 1998 Wissenschaftlern den Zugang zu bisher unbekannten Dokumenten ermöglicht. Davon profitiert auch der Historiker Brechenmacher, der bereits seit 1996 das Verhältnis von Christen und Juden erforscht. Seine äußerst detailreiche Langzeitstudie gibt ein anschauliches Bild über die schwierigen und widersprüchlichen Beziehungen zwischen beiden Glaubensrichtungen. Er beginnt in der Spätantike und arbeitet kenntnisreich heraus, dass dieses Verhältnis über Jahrhunderte hinweg theologisch geregelt war und unter dem Leitspruch der so genannten „doppelten Schutzherrschaft“ (Schutz der Christen vor dem „verderblichen“ Einfluss der Juden, Schutz der Juden vor Übergriffen der Christen) stand. Unter dem Druck von Reformation und Aufklärung sei es aber zunehmend in ein Ungleichgewicht geraten. In der Folgezeit entfernten sich dogmatischer Anspruch und tatsächliches Handeln der katholischen Kirche immer mehr voneinander, so Brechenmacher. Aus den faktenreichen Darstellungen ergibt sich der Befund eines durchaus antijudaistischen, aber eben nicht antisemitischen Vatikans. Am deutlichsten wird dies in den Ausführungen zum Wirken von Papst Pius XII. Anhand zahlreicher Beispiele wird hier das vorsichtige Agieren des Heiligen Stuhls gegenüber den Nazis erläutert und das „Schweigen“ des Papstes differenziert dargestellt. Der zweite Schwerpunkt des Buches ist dem schwierigen Prozess der Ablösung des traditionellen katholischen Judenbildes durch eine neue Theologie gewidmet, die 1965 jede Form von Antisemitismus verwirft und eine brüderliche Kommunikation mit den Juden zum Programm erhebt. Hier macht der Autor deutlich, dass diese „theologische Wende“ mit einem grundsätzlichen Umbruch des mit der Moderne konfrontierten Papsttums einherging. Die durchweg sorgfältige Argumentation des Autors lässt das Buch aus der Vielzahl thematisch vergleichbarer Publikationen herausragen, als geschichtswissenschaftliche Grundlagenlektüre zum Verhältnis von Katholizismus und Judentum ist es zu empfehlen.
Thomas Henzschel (TH)
Dr., Auswärtiges Amt, Arbeitsstab Iran.
Rubrizierung: 2.23 Empfohlene Zitierweise: Thomas Henzschel, Rezension zu: Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden. München: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/23360-der-vatikan-und-die-juden_26791, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 26791 Rezension drucken