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Fritz Stern

Der Westen im 20. Jahrhundert. Selbstzerstörung, Wiederaufbau, Gefährdungen der Gegenwart

Göttingen: Wallstein Verlag 2008 (Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts. Vorträge und Kolloquien 3); 188 S.; brosch., 18,- €; ISBN 978-3-8353-0254-9
Als „Amerikaner europäischen Ursprungs“ (129) entwirft Stern, der 1938 mit seiner Familie aus Breslau emigrierte, im ersten Teil ein engmaschiges Bild der Geschichte des Westens, der eigentlich – in Anknüpfung an die Aufklärung und damit an den „Glauben an die Macht der Vernunft“ – einem „idealen Liberalismus“ (7) gleiche, definiert durch Freiheit, Fortschritt, Toleranz, Volkssouveränität, Bürgerrechte und klar begrenzte Macht. Die drei Jahrzehnte von 1914 bis 1945 stellten sich aber als „ein Drama der Selbstzerstörung Europas“ (10) dar, und auch die Nachkriegsgeschichte erscheint in Sterns Deutung vor allem als eine Geschichte problematischer Entwicklungen. Der Historiker hielt diesen Vortrag vor Bürgern anlässlich der Gastprofessur, die er im Sommersemester 2007 am Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts wahrnahm. Dem Vortrag schließt sich eine Betrachtung Wilhelms II. an, den Stern als einen politisch gescheiterten Regenten porträtiert. Im zweiten Teil geht es zum einen um die Rezeption von Sterns 1961 erschienener Dissertation „Kulturpessimismus als politische Gefahr“ und den Erkenntnissen, die sich heute noch aus dieser Arbeit ziehen lassen. Zum anderen wird Stern selbst als engagierter Beobachter seiner Zeit vorgestellt. Spannend zu lesen ist auch die Diskussion Sterns mit anderen Historikern unter der Leitung von Gunter Hofmann (Die Zeit) über die Frage, wer 1989 „gemacht“ hat. Es zeigt sich, dass sich fast alle Deutungen der Historiker und beteiligten Politiker – so unterschiedlich sie im Detail sein mögen – als Erklärungen zusammenfügen lassen. Nur die Haltung Helmut Kohls falle aus dem Deutungsrahmen, heißt es, nur er behaupte, einem klaren Konzept gefolgt zu sein. Niemand sonst meine, die Dynamik der Ereignisse, zu deren Anfängen der Warschauer Kniefall Willy Brandts, die Ostverträge, die KSZE-Konferenz sowie die Gründung der Solidarność zählen könnten, eindeutig überblickt zu haben. Die Zeit des Kalten Krieges sei von dem Gedanken an Stabilität und Frieden geprägt gewesen, so der Tenor, nicht von dem an eine grundlegende Veränderung.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 1.3 | 2.31 | 2.311 | 2.61 | 4.1 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Fritz Stern: Der Westen im 20. Jahrhundert. Göttingen: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29402-der-westen-im-20-jahrhundert_34785, veröffentlicht am 17.11.2008. Buch-Nr.: 34785 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken