Skip to main content
Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.)

Deutsche Zustände. Folge 3

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005 (edition suhrkamp 2388); 280 S.; 10,- €; ISBN 3-518-12388-2
Die humane Qualität einer Gesellschaft sei am Umgang mit schwachen Gruppen zu erkennen, schreibt Heitmeyer. Der Zustand der deutschen Gesellschaft wird seit 2002 anhand des Konzepts der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit empirisch analysiert (siehe auch ZPol 3/04: 1.055). Gefragt wird, ob sich im Zeitverlauf eine Aufrechterhaltung oder gar Verstärkung der Ungleichwertigkeit von Gruppen feststellen lässt, also ob beispielsweise Muslime und Behinderte immer stärker abgelehnt werden oder wie stark sich Antisemitismus in die Kritik an Israel mischt. Veranschaulicht werden die Vorurteile an Fallbeispielen. Ein zentrales Thema sind dabei die Mechanismen der „Schuldumkehr“. Dabei entlastet sich derjenige, der Vorurteile zugibt mit dem Hinweis, der andere habe selbst Schuld, verhalte sich so, dass man ihn ablehne. Insgesamt kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass sich das Syndrom der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit verfestige, auch wenn Frauen und Homosexuelle immer weniger mit Vorurteilen bedacht würden. Dem stehe eine Zunahme antisemitischer und fremdenfeindlicher Haltungen vor allem bei den Menschen gegenüber, die sich der politischen Mitte zurechnen. Dabei konnte eine aufschlussreiche Feststellung gemacht werden: Menschen, die mit eher vielen Ausländern in einem Ort oder Stadtviertel zusammenleben, haben weniger Vorurteile als die, in deren Umgebung fast keine Ausländer leben. Am stärksten mit Vorurteilen behaftet zeigten sich die gering qualifizierten Frauen in Ostdeutschland – die eindeutigen Verliererinnen der Wende, so die Autoren, für die auf dem Arbeitsmarkt kein Platz mehr sei und die Ausländer am stärksten als Konkurrenten und Bedrohung begriffen. Zu fragen sei insgesamt, so Heitmeyer, „ob und wie diese privaten individuellen Einstellungen ‚politisiert’ werden“ (32). Gefährlich wäre eine Bündelung des rechtspopulistischen Potenzials. Aus dem Inhalt: I. Das Problem Wilhelm Heitmeyer: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Die theoretische Konzeption und empirische Ergebnisse aus den Jahren 2002, 2003 und 2004 (13-36) II. Die empirische Analysen des GMF-Survey 2004 Jürgen Mansel / Wilhelm Heitmeyer: Spaltung der Gesellschaft. Die negativen Auswirkungen auf das Zusammenleben (39-72) Carina Wolf / Ulrich Wagner / Oliver Christ: Die Belastungsgrenze ist nicht überschritten. Empirische Ergebnisse gegen die Behauptung vom „vollen Boot“ (73-91) Kirsten Endrikat / Rainer Strobl: Ambivalenz der Anpassung. Menschenfeindliche Einstellungen im sozialen Bezugskontext (92-107) Beate Küpper / Wilhelm Heitmeyer: Feindselige Frauen. Zwischen Angst, Zugehörigkeit und Durchsetzungsideologie (108-128) Andreas Zick / Beate Küpper: „Die sind doch selbst schuld, wenn man was gegen sie hat!“, oder Wie man sich seiner Vorurteile entledigt (129-143) Aribert Heyder / Julia Iser / Peter Schmidt: Israelkritik oder Antisemitismus? Meinungsbildung zwischen Öffentlichkeit, Medien und Tabus (144-165) III. Die Fallgeschichten IV. Das ambivalente Agieren in Politik, Staat und Gesellschaft Focus: Politische Öffentlichkeit – Riskantes Zusammenspiel beim Antisemitismus Werner Bergmann / Wilhelm Heitmeyer: Antisemitismus: Verliert die Vorurteilsrepression ihre Wirkung? (224-238) Focus: Politik – Zuwanderungsgesetz ohne Integrationswirkung? Karl-Heinz Meier-Braun: Einwanderungspolitik. Von einer Geschichte, die nicht zu Ende gehen wollte (240-249) Focus: Gesellschaftliche Entwicklung – riskante Unternehmungen Klaus Dörre: Hartz-Kapitalismus. Das „Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ und seine sozialen Folgen (252-260) V. Eingreifende Menschen Ester Dischereit: „Bisschen Stolz als Cottbusser“. Horst Martin, vorgestellt von Esther Dischereit (263-266) Wilhelm Heitmeyer / Gunter Hofmann: „Ich will keine Normalität, es muß weh tun“. Iris Berben im Gespräch (267-278)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.35 | 2.36 | 2.37 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 3 Frankfurt a. M.: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/23180-deutsche-zustaende-folge-3_26539, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 26539 Rezension drucken