
Die deutsche Koalitionsdemokratie vor der Bundestagswahl 2013. Parteiensystem und Regierungsbildung im internationalen Vergleich
Auch kurz vor der Bundestagswahl 2013 ist nicht absehbar, welche Koalition Deutschland ab Herbst regieren wird – alles scheint möglich. Vor diesem Hintergrund ist es reizvoll, die Modelle, die mehr oder weniger wahrscheinlich sind, hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit zu analysieren: Wegen der Erfahrungen von Andrea Ypsilanti in Hessen nennt Tim Spier das „linke Lager […] koalitionspolitisch ein ‚defektes‘ Lager“ (374); hingegen wird es bei Schwarz‑Grün, so die Einschätzung von Volker Kronenberg, nur „auf das Ergebnis, auf den arithmetischen Impuls am Wahlabend ankommen“ (414). Für ein Bündnis aus CDU/CSU und Grünen plädiert auch Eckhard Jesse im Falle eines Patts zwischen den Lagern, während sich Frank Decker für Schwarz‑Rot ausspricht. Das 31‑köpfige Autorenteam geht aber nicht nur der Frage nach, welche Parteien Deutschland ab Herbst 2013 regieren könnten, sondern legt ein umfangreiches Kompendium vor: In einem der theoretischen Kapitel, in denen unter anderem die These der politischen Horizonte vorgestellt sowie über Koalitionsaussagen und ‑signale referiert wird, erklärt Niko Switek: „Die Überhöhung einzelner Optionen als ‚Projekte‘ ist somit mehr Überzeugungsrhetorik von Spitzenpolitikern und weniger Ausdruck einer echten Zuneigung der Parteimitglieder zueinander.“ (136) Ein anderer Abschnitt enthält übergreifende Analysen; mit Blick auf die Bundesländer zeigt Roland Sturm, dass „situative Gründe für das vorzeitige Ende von Koalitionen eine […] große Rollen spielen“, weshalb „die prognostischen Fähigkeiten der quantitativ arbeitenden Koalitionstheorie beträchtlich“ (258) reduziert werden. Und angesichts schwieriger Mehrheitsverhältnisse hält es Stephan Klecha für „sinnvoll, Minderheitsregierungen ein wenig zu entmystifizieren“ (280). Solche Konstellationen waren lange Zeit für die skandinavischen Länder typisch, sind aber mittlerweile „nicht mehr das genuine Erkennungszeichen nordischer Koalitionsdemokratien“ (617), wie Sven Jochem berichtet. Die länderspezifischen Studien runden den Sammelband ab. Das Buch sollte wegen seiner thematischen Breite und Tiefe zu den Standardwerken der Koalitionsforschung gehören.